Animation mit Video am Beispiel Video 60+

In den 70er- und 80er-Jahren war Video das klassische Medium der Animation: zur soziokulturellen Belebung ganzer Quartiere, zur Agitation für politische Anliegen, zur Aktivierung von Kleingruppen. In der Zwischenzeit hat diese Ausrichtung von Video etwas an Bedeutung verloren. Video wird heute vor allem als Mittel des konfektionierten Abfilmens von Ferienreisen und Familienereignissen genutzt.

Doch immer wieder entstehen auch heute Gruppen, die Video als Animationsmittel brauchen. Seit mehr als fünf Jahren bot das Zentrum Hardau im Rahmen seiner Angebote soziokultureller Animation Videokurse an. Daraus entstand unter anderem die «Videogang», eine Gruppe Jugendlicher, die regelmässig für Tele 24 Fernsehbeiträge aus der Sicht der Jugendlichen herstellt. Heute produziert sie, unabhängig von der Hardau, weiterhin fürs Fernsehen.

Für alt und jung

«Wenn das die Jungen machen, können es auch die Alten», stellten Stefania Quadri von Video Hardau und Hanspeter Stalder (damals Pro Senectute Schweiz) fest, als sie sich im Jahre 1997 über die Arbeit der «Video-Gang» unterhielten. Diese Feststellung war der Anfang der Idee für «Video 60+».

Die beiden machten sich daran, unter dem Label «Senioren machen Seniorenbilder» ein Konzept der soziokulturellen Animation mit Video für ältere Menschen zu entwickeln und ein Videoprojekt auszuschreiben, der aus drei Teilen besteht.

Den ersten Teil des Konzeptes bildet ein halbjähriger Grundkurs. Darin lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Videoaufnahmen machen, sich mit Video ausdrücken und ihre ersten Aufnahmen digital zu schneiden.

Wer von der Gruppe weiter machen will, kann einen Workshop, ebenfalls ein halbes Jahr dauernd, besuchen. Dabei entstehen die ersten kleinen Auftragsfilme.

Das dritte Element des Gesamtkonzeptes bildet die Gründung einer Videoproduktionsgemeinschaft, einer selbständigen Produktionsfirma älterer Menschen. Diese ist im Aufbau begriffen.

Im Rahmen des Workshop und der freien Weiterarbeit entstanden bisher folgende Produktionen:

  • ein gefilmtes Selbstporträt der Gruppe, «Video 60+ Zentrum Hardau», sozusagen ein Tagebuch der Arbeit im ersten halbjährigen Kurs,
  • im Auftrag der Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich der PR-Film «Die Verlockungen des Don Juan Hunziker», als Kurzspielfilm,
  • ein Auftragsfilm der Koordinationsstelle Arbeitseinsätze im Berggebiet mit dem Titel «Willkommene Helfer, Lawinenjahr 1999»,
  • als erster Film der Produktionsgemeinschaft «Jedes Schloss isch zerscht e mal es Luftschloss gsi», der Bericht über ein Wohnprojekt älterer Menschen,
  • im Auftrag der Stadt Zürich «Kinderpartizipation von Megaphon», ein Bericht über ein Quartierprojekt von Schülerinnen und Schülern,
  • im Auftrag eines Laientheaters ein Erinnerungsfilm einer Theateraufführung.

Sich einmischen

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeiten in Gruppen im Sinne der soziokulturellen Animation, weitgehend sich selber steuernd, prozess- und produktorientiert, als «lernende Gruppe», begleitet von einer Animatorin und einem Animator. Das Ganze läuft im Sinne des Satzes von Max Frisch: «Der Laie ist der Mensch, der sich in seine eigenen Angelegenheiten einmischt.» Die älteren Menschen intervenieren mit ihrem Wissen und Können, ihren Erfahrungen, mit ihrer Sicht der Dinge mit dem Medium Video.

Ziel der Arbeit ist es, dass sie mehr und mehr Einfluss nehmen auf den öffentlichen Diskurs über das Alter und Altern in unserer Gesellschaft, was konkret heisst, dass sie ihre Filme einmal für die Informations- und Bildungsarbeit machen wollen, die künftig verkauft und verliehen werden können.

Zukunftspläne

Im letzten Workshop realisierte die Gruppe zwei Videos über das Tanztheater Dritter Frühling, eine Initiative der freien Tanztszene, das ähnliche Ziele wie sie selbst verfolgt. Bei dieser Zusammenarbeit reifte die Idee heran, einmal miteinander eine Produktion auf die Beine zu stellen. Das Leitungsteam ging an die Arbeit und schrieb ein Theater-Tanz-Video-Konzept mit dem Titel «Biografieren». Dieses fusst auf der Idee des Theaterstücks «Biografie» von Max Frisch, das von Lebenläufen handelt und diese mit der Frage angeht: Was wäre, wenn? Für dieses Projekt erhielten sie vom Zürcher Frauenverein den diesjährigen Kultur- und Sozialpreis in der Höhe von 100'000 Franken.

Gegenwärtig sucht das vierköpfige Team Lebensgeschichten und Geschichten aus dem Leben älterer Menschen, Schauspieler und Schauspielerinnen, Tanzerinnen und Tänzer sowie ältere Menschen, die Erfahrungen mit Video haben. Mit diesen zusammen entsteht dann bis zum nächsten Sommer die Gemeinschaftsproduktion.

Einzelne der Gruppe arbeiten anderweitig in kleineren Projekten weiter. Man trifft sich immer wieder zum Erfahrungsaustausch und zur Weiterbildung. Man fachsimpelt miteinander, bleibt aber auch persönlich in gutem Kontakt. Zwei Mitglieder beginnen soeben, so eine aktuelle Meldung, mit einem Video über ein älteres Paar, das in der Dritten Welt einen Einsatz wagt.