Auch Lehrkräfte gehen einmal in Pension
Aus der Arbeit von Schulpflegen und Schulleitungen wissen wir, wie viel Sorgfalt auf die Rekrutierung und Führung der Lehrkräfte verwendet wird. Nur in seltenen Fällen wird jedoch der Austritt aus dem Erwerbsleben, die Pensionierung von Lehrpersonen, ein Thema. Der Beitrag «Neue Entwürfe für das Alter» von Hanspeter Stalder soll das Thema grundsätzlich ausleuchten und zur Auseinandersetzung einladen.
Leo Blunschi, Co-Schulleiter an der Bezirksschule der KSM Mutschellen, hat seine Abschlussarbeit für den Erwerb des Schulleiter-Zertifikats über das Thema Pensionierung on Lehrkräften geschrieben. Daraus folgen anschliessend die Kapitel «Würdigung», «Verabschiedung» und «Sozialen Bezug erhalten», welche den Schulteams Anregungen geben sollen für einen angemessenen Umgang mit der Pensionierung.
Das vor Kurzem erschienene Buch «Pensioniert ... Der Wegweiser für die dritte Lebensrund» von Hannelore Rizza und Roger Gauderon, das zum Schluss vorgestellt wird, sei allen Lehrerinnen und Lehrern empfohlen, die vor oder nach der Pensionierung stehen. Dieses allgemein verständliche und dennoch wissenschaftlich saubere Werk führt umfasend in das Thema ein und beantwortet alle wesentlichen Fragen.
Neue Entwürfe für das Alter
Leben durch die Arbeit bestimmt Immer mehr Menschen werden immer älter. In der Schweiz gehen Männer mit 65 Frauen noch etwas früher in Pension. Im dritten Lebensabschnitt leben sie weitere 10 beziehungsweise 20 Jahre. Bis zur Pensionierung hat man Kollegen, Vorgesetzte oder Untergebene, einen Tag danach Freigestellte, Entlassene, Abgeschobene, Pensionierte. Für die meisten Männer, doch immer häufiger auch Frauen, ist die Pensionierung ein Einschnitt, der zwei Lebensformen trennt: eine Wert stiftende von einer Funktionen vernichtenden. Das macht Angst und schafft Probleme. Wenn mit den Jahren zudem immer häufiger vertraute Menschen aus dem Umfeld verschwinden, körperliche und geistige Grenzen erfahren werden und schliesslich das Arbeitsleben, vorhersehbar oder nicht, zu Ende geht, erfasst pensionierte Menschen oft ein Gefühl der Nutzlosigkeit und Zukunftslosigkeit. «Es gibt ein Phänomen, das man sich nur schwer erklären kann: Leute, die in den Ruhestand gehen, materiell durchaus abgesichert, und dann zusammenbrechen, wenn sie ihre Arbeit nicht mehr tun dürfen», meinte die Schriftstellerin und Essayistin Monika Maron in einem Gespräch. Früher war es Pensionierung, Rentenalter oder Austritt aus dem Erwerbsleben, heute Kündigung und Arbeitslosigkeit. Was hier am Beispiel der Pensionierung abgehandelt wird, gilt teilweise noch verstärkt für Arbeitslose durch Kündigung. (Ich verwende die männliche Form, weil diese Probleme Art mehrheitlich die Männer betrifft.)
Der «homo faber» als Norm
Männer, die nach dem Mittelpunkt ihres Lebens gefragt werden, erwähnen meist ihre Arbeit. Für viele bestimmt sie ja auch ihre Biografie. Was geschieht dann aber bei der Pensionierung, wenn die lebensgestaltende Arbeit von einem Tag auf den andern wegfällt? Während vierzig und mehr Jahren war es üblich, sich über die Arbeit zu definieren. Das erleben wir im Alltag, wenn wir uns in einer Gruppe vorstellen. Wir schildern mit allen Details unsere berufliche Laufbahn. Dass wir verheiratet oder ledig sind, Kinder haben oder eine Freundin lieben, uns in Politik oder Kirche engagieren, gern spielen oder reisen, lassen wir weg, «es ist nicht der Rede wert».
Von «Menschen, die arbeiten», nicht von «Arbeitern», sollten wir besser sprechen, wenn wir dieses verhängnisvolle Denken und Handeln durchbrechen wollen. Der Vorschlag stammt aus der Sozialen Arbeit, wo man früher von «Behinderten», heute vermehrt von «Menschen mit Behinderungen» spricht. Mit dieser Umformulierung wird ausgedrückt, dass die Behinderung nur eine, meist nicht einmal die wichtigste Eigenschaft eines Menschen ist.
Analog zum Satz des Volksmunds, «Der Mensch ist, was er isst», könnte man sagen. «Der Mensch ist, was er arbeitet». Vor allem die Männer übernehmen die Regeln und Gesetze der Arbeitswelt, verinnerlichen, «verkörpern» sie. Die Szene mit dem Schraubenschlüssel in Chaplins «Modern Times» zeigt dies in gültiger Form. Die Gefahr besteht, so meint der Film, dass es dem Fliessbandarbeiter nicht gelingt, das Fliessband des (entfremdeten) Lebens zu verlassen.
Den bekannten Grundformen der Existenz, «Haben» und «Sein» von Erich Fromm, wäre folglich eine Dritte, das «Arbeiten», beizufügen. Der Autor fragt in seinem Klassiker aus dem Jahre 1976: «Was bin ich, wenn ich bin, was ich habe, und dann verliere, was ich habe?» Analog hiesse das für den Pensionierten oder Arbeitslosen: «Was bin ich, wenn ich bin, was ich arbeite, und dann die Arbeit verliere». Mit der Arbeit und dem arbeitenden Menschen haben sich Marx, Lenin und viel andere intensiv auseinander gesetzt und dabei die «Entfremdung» durch die Arbeit herausgeschält, die in den heutigen Analysen der Wirtschafts- und Areitswelt meist zu kurz kommt.
In seinem berühmten Roman aus dem Jahre 1957 leuchtete Max Frisch die Situation des «Homo faber» (des Machers) auf eindrückliche Weise aus. Der Techniker Walter Faber, ein Mann der Tat, ist nicht fähig, das Wesentliche seines Lebens als Partner von Hanna und als Vater von Sabeth zu erkennen. Niemals dringt er mit der Technik des naturwissenschaftlichen Protokolls zum Kern seines Mensch- und Mitmensch-Seins. Er verliert seinen Grund. Erst ein tragisches Schicksal öffnet ihm die Augen und lässt ihn aufbrechen auf den Weg zu sich selbst.
Die Arbeit als alleinige Begründung des Wertes und Selbstwertes im Leben ist frag-würdig und bedenklich. Nötig sind also andere Gründe, Fundamente der menschlichen Existenz. Solche wollen wir suchen.
Sechs Alternativen
Das Hauptwerk des niederländischen Philosophen Johan Huizinga (1872 – 1945) «Homo ludens» (der Spielende), war in meiner Jugend ein Bestseller, in den letzten Jahren sprach kaum mehr jemand davon. Wahrscheinlich deshalb, weil das Spiel heute kaum mehr als Wert an sich verstanden wird. «Im Spiel haben wir es mit einer für jedermann ohne weiteres erkennbaren, unbedingt primären Lebenskategorie zu tun, mit einer Ganzheit», meint der Denker. Mehr und mehr verkommt heute das Spiel unter dem Namen «Kreativität» zum Modegag oder zum «schicken Must». Zu postulieren wäre also, im Blick auf Pensionierung und Arbeitslosigkeit, der Lebensentwurf des spielenden Menschen. In der Fabel «La cigale et la fourmi» von Jean de la Fontaine, wird das Arbeiten der Ameise gegen das Spielen der Grille ausgespielt. Im Sinne der moralischen Belehrung des 18. Jahrhunderts siegt selbstverständlich die Arbeit vor dem Spiel, doch behält nicht nur die Ameise, sondern auch die Grille ihren Wert. Der «homo ludens» – dies eine erste Alternative zum «homo faber» – wird nicht so leicht zerbrechen, wenn im Alltag die Arbeit entfällt. Er hat einen andern Grund, auf dem er fusst, einen andern Wert, der ihm Selbstwert verleiht.
Wer ein Leben lang engagiert andern Menschen und Anliegen verpflichtet war, verliert diese Bindungen auch nicht, wenn er durch Kündigung oder Pensionierung seine Arbeit verliert. Er behält seine Aufgaben als Auf-Gabe, deren Forderungen als Förderung. Vieles bekommt zwar nach der Pensionierung eine andere Qualität. Aus der neu erworbenen Unabhängigkeit heraus wird das politische Sein des alten «homo politicus» (des Solidarischen) oft radikaler als jenes, der im Berufsleben steht und abhängig ist. Dieser Vorschlag zu einem andern Lebensentwurf ist jedoch nicht als Muss, sondern als Kann zu verstehen. Die Anteilnahme am Schicksal von Mitmenschen, die benachteiligt, krank, arm oder behindert sind, macht Sinn. Sein gibt es nur im Mit-Sein (Thomas von Aquin). Mitsein schafft Würde denen, die empfangen, und Wert denen, die geben.
Vergessen werden in der heutigen Zeit des Überflusses oft die Dimensionen des Religiösen: «religio» als Bindung des Menschen an etwas darüber oder darunter. Vernachlässigt wird aber auch das Spirituelle als der Weg dorthin. Oft werden religiöse Ereignisse wie Taufe, Hochzeit oder Beerdigung in der modernen Gesellschaft zu dekorativen Zugaben. Bei der älteren Generation ist dies meist anders. Ein «homo religiosus» (der Religiöse) steht sicherer in der Welt, wenn er von der Arbeitswelt und schliesslich von der Lebenswelt Abschied zu nehmen hat. Religion kann – die dritte Alternative – den Menschen Selbstwert geben, wenn bei der Pensionierung oder Kündigung durch den Wegfall der Arbeit eine persönliche Entwertung droht.
Lust und Freude zeichnen die Kindheit aus. Doch schon vor dem Berufsleben ist es die Schule, auch sie oft vom Materiellen bestimmt, die diesen Wert zerstört. Welchen Raum sollen dann im späteren Leben Freude und Lust einnehmen? Doch sind uns allen nicht schon Menschen begegnet, die aus spontaner Lust und Freude lebten: als Geschichtenerzähler, Unterhalter, Witzbolde, Clowns, Sonderlinge oder Spinner. Der «homo delectans» (der Lachende) freut sich über sein Leben und erfreut andere damit. Solche Menschen haben am Tag der Pensionierung oder Kündigung Halt in etwas anderem als der Arbeit. Welche Werte in Lust und Freude, Lachen und Humor liegen, besagen Dimitri und Viktor Giaccobo: «Lachen ist eine Form von Liebe. Humor, der es auslöst, ist etwas vom Wichtigsten auf der Welt» und «Lachen kennt keine Moral. Es hat eine befreiende, lösende Kraft.»
In neuerer Zeit wird diskutiert, dass Erotik und Sexualität auch im Alter möglich sind und die Lebensqualität steigern können. Dennoch erschweren oder verhindern oft Tabus ein Ausleben des erotischen Potenzials, der sexuellen Aktivitäten. Hier ist Aufklärung nötig. Wenn ein alter Mensch Erotik und Sexualität ein Leben lang als wertschöpfendes Tun erfahren hat, sollte dies für ihn auch im Alter möglich sein: als «homo amans» (als Liebender). Und wenn er ein Leben lang daran gehindert wurde, sollte er dazu ermuntert werden. Wir müssten gemeinsam darauf hinwirken, die individuellen und strukturellen Blockaden wegzuräumen. Der greise Liebhaber und die alte Liebende, im Sinn der «Ars amandi» des Ovid, könnten in Zukunft – als fünfte Alternative – neue Senioren-Typen werden, die das Leben bereichern, interessanter und spannender machen. Gerd Gerken und Michael-A. Konitzer sprechen in «Trends 2015» von «genussvollem Alterssex» als einem neuen Trend. Erotik und Sexualität könnten mit ihrer belebenden Kraft über Pensionierung und Arbeitslosigkeit hinweghelfen, weil auch sie meist tiefer gründen als die Arbeit.
Ein weiteres Menschenbild gibt es, das ein Leben lang, also auch im Alter und nach der Kündigung, neuen Sinn stiftet: der «homo viator» (der Gehende), wie Gabriel Marcel ihn 1945 beschrieben hat. Leben heisst nach ihm, auf dem Weg sein. Diese Form des Mensch-Seins wurde von bildenden Künstlern immer wieder dargestellt. Zwei beeindrucken besonders: August Rodin mit «Les bourgeois de Calais» und Alberto Giacometti mit «L'homme qui marche». Bei diesem ist es das Schreiten im luft- und sinnleeren Raum, im Nichts, dem er sein trotziges Dennoch entgegenhält, bei jenem die beseelte Kraft, welche hoffend die Erde durchmisst und die Welt erobert. Vielleicht ist es auch im Sinne des christlichen Advents zu verstehen. Wie äussert sich ein Leben als «homo viator» im Alltag? Er ist ein Mensch, der immer neu anfängt, zum Beispiel noch im hohen Alter einen Kurs bucht, eine Sprache erlernt, ein Land bereist, eine Aufgabe auf sich nimmt, eine Beziehung eingeht, sein Leben neu denkt und plant. Eine solche Haltung, ein Leben lang geübt, wird im dritten und vierten Alter zu einer Haltung der Sicherheit und Selbstsicherheit.
Neue wertvermittelnde Lebensentwürfe
«Lasst tausend Blumen blühen!», forderte Mao Ze Tong für seine Kulturrevolution. Analog dazu sollten wir tausend neue Altersbilder, Lebensentwürfe für alte Menschen postulieren. Solche Alternativen zum «homo faber» könnten helfen, dass alte oder arbeitslose Menschen neben der Arbeit noch andere Begründungen ihres Selbstwerts finden und erleben: als Spielende, Solidarische, Glaubende, Lachende, Liebende, Gehende usw.
Diese neuen Seins-Formen aber lernt man nicht erst im Pensionierungsvorbereitungskurs oder bei der Lektüre eines Buches über den Sinn des Lebens. Sie wird während des ganzen Lebens gelernt – oder eben nicht gelernt. Es müssten der «homo ludens» und der «homo politicus», der «homo religiosus» und der «homo delectans», der «homo amans» und der «homo viator» gleichwertig neben dem allgegenwärtigen «homo faber» zur Verfügung stehen.
Mit diesem Neuansatz gehen wir nicht bloss ein Altersproblem, den Pensionierungsschock, oder ein soziales Problem, die Arbeitslosigkeit, an, sondern versuchen eine umfassende Bereicherung und Vermenschlichung der Welt. Dass es den Pensionierungsschock nicht in dem Masse gibt, wie man ihn früher vermutet hat, ist gut, schliesst ihn aber nicht aus. Dass ein unfreiwilliger Stellenverlust jedoch immer schockt, wissen wir.
Umdenken als Auftrag
Die Verbreitung neuer Alters- und Menschenbilder geschieht nicht automatisch. Die Vorstellungen widersprechen den üblichen Denk- und Handlungsmustern total. Es gilt also, gegen den Strom zu schwimmen: Nicht nur jene Menschen sind gross, die sich in der Arbeitswelt bewähren, sondern auch jene, die sich in der Welt des Spiels, der Solidarität, des Glaubens, des Lachens, des Liebens, des Auf-dem-Weg-Seins hervortun. Hier aber haben wir, neben der Alterarbeit und der Sozialen Arbeit, bereits die Volksschule und die weiterführenden Bildungseinrichtungen eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Es gilt nicht bloss, das Thema Alter in der Schule zu behandeln, sondern diese andern Werte im Alltag verstehen, dulden, vermitteln, fördern und belohnen zu lernen.
Die vorgeschlagenen Lebensentwürfe stellen einen Ansatz dar, den Wertepluralismus der Postmoderne zu nutzen, ohne der unverbindlichen Beliebigkeit des modischen «Anything goes» zu verfallen. Es ist wohl nicht mehr zu rechtfertigen, wie es die Moderne getan hat, dass nur eine einzige Theorie oder Ideologie für alle die richtige und verbindliche zu einem glücklichen Leben und eine bessere Welt darstellt. Es darf künftig nicht mehr nur eine einzige Art zu leben, nämlich jene als «homo faber», gültig und verbindlich sein. Mit neuen Menschen-Bildern und Lebens-Entwürfen ann darauf hingewirkt werden, dass wir Menschen auf möglichst vielfältige Weise glücklicher werden können.
Hanspeter
Stalder
Pensionierung im LehrerInnen-Team
Würdigung *
Ein Arbeitsleben geht zu Ende. 10 000 Mal zur Schule geganen. Dabei hat es bei jedem Lehrer und bei jeder Lehrerin Sternstunden und dunkle Tage. Am Ende soll die Tatsache zählen, dass hier jemand seine Arbeit jeden Tag geleistet hat. Jetzt ist nicht mehr der Moment, um Fehler und Fehlendes zu erwähnen. Was in den vergangenen Jahren nicht geleistet und erarbeitet wurde, soll heute nicht mehr Thema sein.
Es ist der Tag des Dankes für die Arbeit. Wir legen das Gewicht auf das, was geleistet wurde. Wir erwähnen das Positive und Schöne. Wir freuen uns an den vergangenen Leistungen, an den Ideen und Beiträgen für die Gemeinschaft.
Weder versteckte Hinweise auf Defizite noch Geschichtchen über Fehler der Lehrperson sind Bestandteil dieses Tages. Genau so wenig gehören schönfärberische Erzählungen, tatsachenwidrige Behauptungen und nette Lügen in eine Würdigung. Es soll die Rede von der subjektiv erlebten Wirklichkeit sein, mit dem Fokus auf dem Guten und Erfolgreichen. Unangenehmes lassen wir an diesem Tage weg.
Hinter einer Würdigung müssen alle stehen können: Der oder die Gewürdigte, der Sprecher und das ganze Kollegium. Jede Verdrehung einer Tatsache ist der Anlass zu einer kleinlichen Diskussion und führt unweigerlich zu einer Abrechnung. Die Schulleitung muss den Pensionär in der Vergangenheit mit den Defiziten der Schulführung konfrontiert haben. Am Ende des Schuldienstes kann es keinen Sinn mehr ergeben. Alles andere wäre die Ausgeburt einer Krämerseele.
Für unsere Würdigung beschränken wir uns auf wahre Aussagen. Eine kurze Wegbeschreibung, das Loben der Haupttätigkeit und die Erwähnung spezieller Fähigkeiten und positiver Einzelfälle gehören sicher in die Rede. Erfahrungsgemäss gibt es im Berufsleben einer jeden Lehrperson Highlights, die es Wert sind, in Erinnerung gerufen zu werden. Begebenheiten, an denen sich alle Beteiligten erfreuen können. Wenn wir es schaffen, in dieser Grundstimmung den Rückblick ausklingen zu lassen, haben wir für den Pensionär und das Kollegium viel gewonnen. Und alle Lehrpersonen, die auf die Pensionierung zugehen, können dem Abschied gelassen und freudig entgegen blicken. Mit der Sicherheit, am Ende nicht eine kleinliche Abrechnung bestehen zu müssen, sondern in Dankbarkeit den verdienten Ruhestand antreten zu dürfen.
Verabschiedung *
Die Dauer der Verabschiedung lässt sich nicht klar festlegen. Mit allen Vorbereitungen und Teilaktionen kann das schnell ein Quartal in Anspruch nehmen. Noch vor dem eigentlichen Festakt sollte irgendwo eine Möglichkeit geschaffen werden, offene Rechnungen zu begleichen. Es wäre nicht klug, eine Lehrperson in die Pension zu entlassen, ohne vorher die Situation im Kollegium bereinigt zu haben. Die schlechte Stimmung würde auch über die Pensionierung hinaus im Kollegium verbleiben. Der Pensionär könnte eventuell auch ohne seine physische Präsenz durchaus noch Einfluss auf ein Kollegium haben. Eventuelle Unstimmigkeiten und alte Rechnungen sollten also spätestens in diesem Moment noch aufgearbeitet werden.
Die Grundstimmung vor der Pensionierung ist natürlich von beiden Seiten deutlich versöhnlicher; der Pensionär sieht seinen Abschied, und dass es auch ohne ihn weiter gehen wird; die Zurückbleibenden gestehen dem Pensionär eine gewisse Narrenfreiheit zu, da er sich ja nicht mehr in das Kollegium als gleichwertige Person einbringen kann. Vor diesem Hintergrund sind die Chancen für eine grundsätzliche Versöhnung nicht schlecht. Die Schulleitung achtet darauf, dass in dieser Phase die Vergangenheit abgeschlossen wird. Es soll keine Vermischung mit der Planung für die Zukunft stattfinden. Es geht um die Aufarbeitung von Vergangenem, die Zukunft beginnt nach der Pensionierung.
Für die eigentliche Verabschiedung lohnt es sich, auf die Bedürfnisse der einzelnen beteiligten Gruppen Rücksicht zu nehmen. Vor der Schülerschaft bietet sich der Rahmen einer Schulschlussfeier an. Hier soll die Laudatio aber ausgesprochen kurz sein. Notfalls kann die Schulleitung den anwesenden Pressevertretern eine kleine Mappe mit einer ausführlicheren Würdigung abgeben. Wenn die Presse selber nicht vorbei kommt, lohnt es sich, mit einem Eingesandt auf die Pensionierung der Lehrperson in der lokalen Presse hinzuweisen. Viele Schulen benutzen auch ihre eigene Schulzeitung für eine Verabschiedung in grösserem Rahmen.
Die Verabschiedung durch die Behörde sollte in einer feierlichen Form vorgenommen werden. Es ist der offizielle Abschied vom Berufsleben, die Anstellungsbehörde muss an dieser Verabschiedung in irgendeiner Form beteiligt sein. Idealerweise verabschiedet der Präsident oder die Präsidentin der Anstellungsbehörde die Lehrperson. Die Schulleitung kann dazu einiges an Informationen liefern. Der festliche und offizielle Anlass gibt auch dem weiteren Umfeld Gelegenheit, sich gebührend von der Lehrperson zu verabschieden.
Der Abschied vom Kollegium schliesslich sollte mit dem Kollegium gefeiert werden. So ein Schlussfest lässt sich gut zusammen mit dem Pensionär planen. Meist wird der zu Pensionierende froh sein, sich mit einem gemeinsam organisierten Fest von seinem Kollegium zu verabschieden. Sinnvollerweise beteiligt sich der Pensionär finanziell am Fest. Das Kollegium kann dann grosszügig auf Geschenksuche gehen. Hier ist sicher eine ausführliche Würdigung angesagt. Entweder übernimmt das die Schulleitung oder ein anerkannt begnadeter Kollege oder eine begnadete Kollegin. Der Festakt kulminiert in der Übergabe eines sinnvollen Geschenkes.
Sozialen Bezug erhalten *
Die Bedürfnisse der Pensionierten sind bezüglich des Kontaktes zum verbleibenden Kollegium völlig unterschiedlich. Das kann von häufigen Besuchen im Lehrerzimmer («Gipfelitour») bis zum völligen Abbruch aller Beziehung im Zusammenhang mit der Schule reichen. Im Normalfall werden jene Beziehungen, die auch während dem Arbeitsleben nicht nur am Arbeitsplatz gepflegt wurden, auch nach der Pensionierung weiter bestehen. In diesem privaten Bereich gibt es meiner Meinung nach keinen Handlungsbedarf für die Schulleitung.
Für den Kontakt mit dem Kollegium als Ganzem besteht bei uns heute bereits die Tradition, dass alle Pensionierten zum Jahresschlussessen eingeladen werden. In unserer Schule trifft sich die Lehrerschaft vor den Ferien jeweils am Abend des letzten Schultages zum Nachtessen in einem Restaurant. Die Teilnahme ist völlig frei, einige sind jeweils schon in den Ferien, andere haben bereits Termine. Zu diesen Anlässen werden wir unsere Pensionierten im gleichen, freiwilligen Rahmen einladen. Die Stimmung ist jeweils aufgeräumt. Gespräche über das vergangene Quartal und gelöste Probleme würden die Pensionierten wieder mit dem Geschehen an der Schule vertraut machen.
Wenn die Schar der Pensionierten einmal wächst, zeichnen sich eventuell auch andere Lösungen ab, den Kontakt zur Schule und den anderen Pensionierten zu erhalten. Der Alt-Lehrer-Stamm wäre eine Möglichkeit. Dies müsste aber wohl von den Pensionierten in eigener Kompetenz organisiert werden. Vorläufig werden wir uns von der Schulleitung die Aufgabe geben, den Treffpunkt und die Zeit für die Vor-Ferien-Aktion jeweils den ehemaligen Lehrpersonen rechtzeitig mitzuteilen.
* Aus: Aufgaben der Schulleitung bei der Pensionierung von Lehrpersonen. Selbstverlag. blunschi@1953.ch
Leo
Blunschi
Der Wegweiser für die dritte Lebensrunde
Als mir der Prospekt für das Buch «Pensionierung“* auf den Tisch flatterte, reagierte ich unwirsch und abweisend: Schon wieder ein Altersbuch, alles Wesentliche zu diesem Thema ist doch schon geschrieben. Als ich dann aber das Buch in Händen hielt, konnte ich es nicht mehr weglegen. Es war für mich ein Ereignis, ein Geschenk!
Bereits das Äussere begeistert: eine grosszügige Bild- und Schriftgestaltung und eine für Sachbücher selten schöne Sprache. Das Buch informiert auf 300 Seiten über wirklich alle relevanten Fragen des Älterwerdens und der Pensionierung. Wer ein bestimmtes Thema sucht, kommt mit über 250 Stichworten sicher zum Ziel. Und wer sich für die Vernetzung der Altersthematik, über die demogafischen, ökonomischen, politischen, medizinischen Fragen klug machen will, findet dies sachlich informativ und emotional stimmig in den drei Teilen: Fakten und Thesen; Vom Rat zur Tat; Finanzen im Alter.
Das Autorenteam Hannelore Rizza und Roger Gauderon bietet seinen Stoff didaktisch meisterhaft dar. Das Werk ist die Ernte von Hunderten von Kursen der beiden und enthält folglich nicht nur ihre eigenen Erfahrungen, sondern jene von unzähligen Betroffenen, von Menschen vor oder nach der Pensionierung. Gleichzeitig werden Wissenschaftler, Künstler, aber auch Lebenskünstler gefragt und deren Aussagen in den Text verwoben. Eine 7-seitige Bibliografie verweist auf die Quellen, wo weitere Detailinformationen erhältlich sind.
Das Buch ist für Menschen, die vor der Pensionierung stehen oder bereits pensioniert sind. Man kann sich damit so richtig einlesen und einleben in das «unbekannte Land» des Älter-Werdens und des Alt-Seins.
Das Buch ist aber auch für Fachleute, die selbst Altersvorbereitungskurse geben. Auch diese bekommen Anregungen zuhauf.
Für mich, der ich auch seit einem Vierteljahrhundert in der Altersarbeit tätig bin, ist es das Standardwerk zum Thema Pensionierung!
Ein Tipp zum Schluss: An Stelle einer Flasche Wein oder eines Blumenstrausses – oder besser zusätzlich! – eignet sich der Band als ausgezeichnetes Geschenk für eine Lehrerin, einen Lehrer, wenn sie das Team verlassen und für sie die dritte Lebensrunde beginnt.
* Hannelore Rizza, Roger Gauderon: Pensionierung … Der Wegweiser für die dritte Lebensrunde. Werd Verlag, Zürich 2004, ISBN 3-85932-475-6, farbig illustriert, gebunden, 304 Seiten, Fr 44.90