«Dimitri. Die Welt des Clown – Ein Gesamtkunstwerk»

Ein Gesamtkunstwerk ist auch dieser Bildband über den grössten Schweizer Clown, wunderbar geschrieben von Hanspeter Gschwend und wunderbar illustriert von Adriano Heitmann.

Dimitri ist seit Jahrzehnten der berühmteste lebende Schweizer Clown. Selbst Leute, die ihn nie auf der Bühne oder im Zirkus gesehen haben, kennen sein breites Lachen, die grossen Augen unter der Pagenfrisur, sein liebevoll kindliches Auftreten, sein Trippeln und Schlurfen – und dies quer durch alle Generationen. Doch bekannt ist er nicht nur für seine Auftritte als Clown, sondern auch für sein humanitäres und ökologisches Engagement, für sein Ausbildungszentrum für Bühnenkünstler, als Autor und Regisseur, als Zeichner und Aquarellist.

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Foto Adriano Heitmann

Das Gesamtkunstwerk Dimitri

Das Buch dokumentiert Dimitris Wirken in seiner ganzen Vielfalt, die in den Texten, Bildern und in seiner grafischen Verknüpfung widergespiegelt wird. Diese lassen die geistigen Fäden spüren, die sich durch Dimitris Leben als Gesamtkunstwerk hindurch spinnen. Historische und speziell für diesen Bildband aufgenommene Fotografien sowie Dokumente aus Dimitris Leben – Briefe, Kritiken, Programme und Requisiten – erzählen vom «univers» des Clowns. Dem einleitenden Text «Das Gesamtkunstwerk Dimitri – eine Ouvertüre» folgen Kapitel über die «Lebenswelten» und «Gedankenwelten», welche uns in die wunderbare Welt Dimitris hineinführen und darin verweilen lassen. Den Abschluss bildet ein gut recherchierter «Anhang» mit den nötigen Informationen.

Ein Lesegenuss sind Hanspeters Gschwends Texte, sachlich und dennoch einfühlsam, faktenkundig und dennoch persönlich stellt er den grossen Clown vor. Eine Augenweide sind die speziell für diesen Band geschaffenen, meist grossformatigen Fotos von Adriano Heitmann, für die er Dimitri zu Vorstellungen begleitet und ihn bei Proben und beim Training beobachtet hat.

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Foto Adriano Heitmann

Einige Gedanken des grossen Clowns

Dimitris Leitmotiv für sein Leben sei ein Satz aus Henry Millers «Das Lächeln am Fusse der Leiter», schreibt der Autor: «Der Clown ist ein handelnder Dichter.» Womit er den Clown in die Nähe der Dichter stellt, die Geschichten erfindet und erzählt, Handlungen, die ausserhalb und innerhalb von Menschen ablaufen, spielt. Als Geschichtenerzähler bleibt er jedoch allein: «Die Einsamkeit des kleinen Clowns, der sich allein auf einer riesigen Bühne durchschlägt, hat für mich etwas tief Rührendes», meint Dimitri. Eine Einsamkeit, die zu ihm gehört, dem Clown, der im Allgemeinen auch solo auftritt und dennoch eine ganze Welt von Figuren verkörpert und aufleben lässt. Was aber stellt er im Grunde dar, frage ich mich. «Ich spiele immer mich selbst, das heisst, ich spiele das Gute, das Naive, das Positive, das Poetische, das in mir selbst ist, und ich tue dies auf komische Art.» Er verkörpert also das Licht, das Glück, die heile Welt, die wir uns alle doch so sehnsüchtig wünschen.

«Ich möchte ganz leicht und lustig sein,» meint der Künstler an anderer Stelle. Und als solchen erleben wir ihn ja auch immer wieder, still und verinnerlicht. Dann besinnt er sich auf sein Handwerk, seinen Alltag und erinnert sich: «Clown sein und in der Welt herumreisen, das ist, was ich einmal tun will», das wünschte er sich schon als siebenjähriger Junge, als er im Circus Knie den Clown Andreff gesehen hatte. Das Herumreisen wurde seine Existenzform als moderner «homo viator» (Gabriel Marcel). So gilt denn für auch für ihn: «Das Zelt ist das Haus des Nomaden. Es ist schnell aufgebaut, es ist schnell abgebaut, dort, wo der Nomade die Weideflächen für seine Tiere findet. Der Clown ist ein Nomade. Das Zelt – das Zirkuszelt – ist das Haus seiner Auftritte. Der Clown muss von Ort zu Ort ziehen und seine alten Gags einer neuen Zuschauerschaft präsentiert», sinniert er über sich und sein Schicksal.

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Foto Adriano Heitmann

«Ich bin ein Glückspilz», wiederholt er immer wieder dem Autor und uns gegenüber und erklärt damit seine ansteckende Fröhlichkeit und Zufriedenheit. Dennoch macht er sich von Zeit zu Zeit Gedanken über die Rolle des Clowns in der Gesellschaft. «Nach langen Überlegungen komme ich zu dem Schluss, dass es wichtig ist, dass es Clowns gibt. Der Mensch braucht Clowns.» Ich möchte ergänzen: Die Welt braucht Menschen, die zu Nomaden werden und zum Clowns ins Theater und in den Zirkus pilgern und die Trägheit der Sesshaftigkeit aufgeben und ihm applaudieren – aus Heimweh über das verlorene und aus Sehnsucht nach dem immer neu gesuchten Glück.

Ein wunderbares Geschenk ist dieser Band für alle, die Dimitri, den Clown, den Zirkus lieben!

Hanspeter Gschwend (Redaktion und Texte) und Adriano Heitmann (Fotos): Dimitri. Die Welt des Clowns – Ein Gesamtkunstwerk. 30cm x 30cm, 293 Seiten, reich illustriert, Fr. 80.-.