«Action Painting» – In neue Welten eintauchen
Zur Kunstausstellung in der Fondation Beyeler
Jackson Pollock, der mit tänzerischen, kreisenden Bewegungen Farbe auf die Leinwand tropfen lässt, gilt als der Prototyp des Action Painting, einer der folgenreichsten Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts. Die gleichnamige Ausstellung in Riehen widmet sich noch bis 12. Mai dieser «gestischen» Malerei, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa und Amerika die Kunstwelt beherrschte.
Der Begriff «Action Painting» stammt von Harold Rosenberg, einem amerikanischen Kritiker, der anfänglich damit Pollocks Stil bezeichnete, später die ganze Richtung der verwandten Künstler, die in der Mitte des letzten Jahrhunderts einen revolutionären Neuanfang wagten, traditionelle Grenzen sprengten und sich mit spontanen Malgesten ins Bild setzten und der Diskussion stellten.
Unmittelbar und dynamisch schufen sie keine Kompositionen mehr mit geplantem Bildaufbau und verzichteten auf komplexe Farbmischungen, sondern benutzen einfache Materialen und Techniken. Als Höhepunkte erleben sie die Momente der Entstehung ihrer Bilder: den Prozess des Farbauftrages, mit Pinsel oder direkt aus Farbtöpfen, gemalt, geschüttet, getropft oder gespritzt. Ohne Weiterbearbeitung überließen einzelne die Gestaltung ganz dem Zufall.
Wie und warum kam es dazu?
Kandinsky, Mondrian und andere rückten anfangs des letzten Jahrhunderts Schritt für Schritt davon ab, Natur abzubilden oder in den Bildern an Gegenstände zu erinnern. Wozu sollte man diese, weiter wie seit Jahrhunderten, naturalistisch abbilden, wenn solches mit der Fotografie und dem Film immer besser bewerkstelligt werden kann? Diesem Ende der gegenständlichen Kunst folgten neue Auffassungen und Zielsetzungen. Viele Künstler jener Zeit zogen damals den Dingen ihr «Äusseres» aus und konzentrierten sich auf das «Innere», ihren Gehalt, ihre Strukturen, Ordnungen und Gesetze. Damit stiessen sie in die Abstraktion vor.
Für eine der zahlreichen Formen der Innenansichten der Wirklichkeit stehen die Künstler des Action Painting – neben Dadaisten, Surrealisten und weiterer Gruppen. Beeinflusst hat damals das künstlerische Denken und Handeln auch die Psychoanalyse. Den Aktionskünstlern etwa ging es darum, ihren persönlichen und spontanen Empfindungen Ausdruck zu verleihen und so dem Unterbewussten zu vertrauen. Dabei zeigte sich, dass diese neu entdeckten Welten nicht weniger gross, schön und erbauend, furchtbar und erschütternd, faszinierend und herausfordernd sind als die Welt des Gegenständlichen.
Nach den Gesetzen des Zufalls
Die Maler der Aktionskunst konzentrierten sich vor allem auf das, was geschieht, wenn die Farben und Formen auf der Leinwand zueinander in Beziehung treten, aus dem Nebeneinander Kompositionen werden, ohne eigene Intention, sondern nach den Gesetzen des Zufalls. Im Extremfall wird der Künstler zu dessen «Handlanger», er signiert das Werk des Zufalls: Das ist es, was ich will, das ist mein Bild, das bin ich!
In diese Bilderwelten einzutauchen, kann den Betrachtenden erschütternde Erlebnisse, tiefe ästhetische und menschliche Erfahrungen vermitteln: Wenn Farben und Formen sich begegnen, aufeinander eingehen, sich berühren, bekämpfen, verbinden, vermählen und dabei Neues entsteht: Kunstwerke zwischen Harmonie und Disharmonie, Abglanz anderer Wirklichkeiten als der alltäglichen, gegenständlichen.
Bei Pollock, dessen Werk exemplarisch für Action Painting steht, wird der Prozess am leichtesten einsichtig (etwa in dem in der Ausstellung gezeigten Film): Er breitet die Leinwand auf dem Boden aus. Nur selten verwendet er Pinsel. Er bevorzugt Stöcke, Maurerwerkzeug, Messer und sehr flüssige Farben, gelegentlich auch Sand und zerstampftes Glas. Daraus entstehen spontane, automatisierte, tranceartige, unberechenbare Bildern, denen er persönlich nahe ist. «Wenn ich im Bild drin bin, bin ich mir nicht mehr bewusst, was ich tue», meint er, «erst wenn ich mich mit dem fertigen Gemälde vertraut gemacht habe, sehe ich, was ich getan habe».
Mit kundiger Führung auf eine Reise gehen
Auf dem Weg durch diese neuen Welten begegnen uns in der Ausstellung die bedeutendsten Action Painters, die wir als Begleiter, als Reiseführer nutzen können: Da ist Willem de Kooning mit seiner ungestümen, ja wüsten Direktheit. Oder Sam Francis, der zum Teil über der Leinwand fliegend die Bilder entstehen liess. Da sind Pierre Soulages, der fast nur Schwarz brauchte und damit Zeichen setzte, und Ernst Wilhelm Nay, der mit seinen strahlenden Scheibenbildern das Gefühl von vibrierenden Tiefen erzeugte. Oder wir folgen Arshile Gorky, der vor allem mit Liniengeflechten seine expressiven Bildkompositionen schuf, oder schliesslich Karel Appel, der zum Malen Musik, vor allem der Jazz, brauchte.
Die Website www.beyeler.com gibt die nötigen Informationen, der Katalog und ein Faltprospekt führt die Besucher zu den Werken. Alle 27 Künstler aus Europa, Süd- und Nordamerika sowie Asien mit ihren rund 100 Bildern offenbaren eindrücklich, welchen Reichtum an Farben, Formen, Gesten, Tönen, Stimmungen und Botschaften Action Painting bereit hält, wenn man sich auf dem Weg macht und in diese Welten eintaucht.