Die besten Pressefotos 2012
In der Ausstellung «swiss press photo 12» zeigt das Landesmuseum Zürich die besten Pressebilder des Jahres 2011.
Zudem stellt es Fotografien von Robert Frank aus, der mit dem diesjährigen Ehrenpreis «Swiss Press Photo Life Time Achievement Award» ausgezeichnet worden ist. Weltbekannt wurde der 1924 in Zürich geborene Frank durch seine Arbeit «The Americans» Ende der 50er Jahre. Die Gegenüberstellung der Werke der neuen Preisträger mit jenen eines der grössten lebenden Fotografen regt zu Vergleichen und Grundsatzdiskussionen an.
Seit zehn Jahren werden die besten Fotografien des jährlichen Wettbewerbs von Swiss Press Photo im Landesmuseum präsentiert. 40 Fotografinnen und 173 Fotografen haben dieses Jahr daran teilgenommen. Eine internationale Jury wählte die Gewinner aus 2586 Bildern aus. Mark Henley gewann den Hauptpreis mit seinen Bildern über das Schweizer Bankenwesen in der Kategorie Aktualität. Die Preisträger der anderen Kategorien sind: Adrian Moser in der Kategorie Porträt, Georges Cabrera im Sport, Simon Tanner bei Kunst und Kultur, Olivier Vogelsang bei Alltag und Umwelt sowie fürs Ausland.
Vielleicht ergibt sich beim Betrachten der prämierten Bilder eine Erklärung, warum die Ausstellung «C’est la vie!» im Seniorweb nicht vorgestellt wurde, obwohl sie im Landesmuseum ein Publikumsrennen war. Es waren für mich mehrheitlich Fotografien für den täglichen Gebrauch, nicht mehr. Im Gegensatz dazu zeigt die aktuelle Ausstellung mit den besten Pressefotos Werke, die das Leben und die Welt deuten, was ich von Kunst, auch der Fotografie, verlange.
Die Siegerfotos und ihre Botschaften
Kategorie Aktualität mit dem Siegertitel aus der Serie «Bank on us» von Mark Henley
Es heisst, dass ein Drittel des weltweiten Vermögens auf den Konten der Schweizer Banken liegt. Als Gründe gelten die politische Stabilität der Schweiz und das Bankgeheimnis, welches die Steuerflucht begünstigt. Das Zentrum des Finanzplatzes liegt am Zürcher Paradeplatz, wo die UBS und die CS das Gold und die Geheimnisse verwahren. Das von den USA und der EU scharf kritisierte Bankgeheimnis dürfte langsam am Ende sein. Mark Henley zeigt darüber eine Fotoserie mit dem Siegerbild, das die Qualität einer Ikone hat. Schutzlos im Regen, davoneilend, allein: ein Banker auf dem Paradeplatz, rundherum die Mausoleen des Geldes. Er hat die Bodenhaftung verloren, genau wie die Bankbosse, die sich ausgeklinkt haben aus der Welt des Menschlichen. Doch der Platzregen wird wohl bald vorbei sein, und alles wird wieder, wie es war: raffgierig, rücksichtslos, zerstörerisch.
Kategorie Alltag und Umwelt mit einem Foto der Serie «Bain de minuit» von Olivier Vogelsang
Ein Mitternachtsbad. Jeweils am Abend vergnügen sich in Genf am See, an den Stränden und in privaten Schwimmbädern, Jung und Alt, in Badehose oder auch ohne, allein oder zu mehreren. Die Bildserie von Olivier Vogelsang entstand im Juli und August 2011. Eine dunkle Nacht, hell erleuchtet durch Jugendliche, die ausflippen, die den Augenblick geniessen, im Hier und Jetzt leben und sich ihrer kleinen privaten Welt erfreuen. Ein Bild voll Action: von oben nach unten, von unten nach oben, von hinten nach vorn, von vorn nach hinten, erfüllt von Zurufen und Schreien. Ein Bild wider Normen, Regeln und Gesetze, für Freiräume und Kommunikation, letztlich für die Freiheit in der kleinen quadratischen Welt, wie es das Foto zeigt.
Aus der Kategorie Porträt das Siegerfoto mit dem Titel «Simonetta Sommaruga» von Adrian Moser
Simonetta Sommaruga war in einer Sitzung, hat zugesagt, für ein paar Fotos den Raum zu verlassen. Sie ist eben herausgekommen, die Scheinwerfer sind gestellt, ein Teppich zurückgeschoben, dass auf dem Boden vor ihr ein Schweizerkreuz sichtbar wird. Sommaruga sah, dass sie so als Mutter Helvetia abgebildet würde, und sagte Nein. Platz und Umfeld mussten neu gewählt, die Scheinwerfer neu gestellt werden. Die Bundesrätin, die dem Justiz- und Polizeidepartement vorsteht und dort schwierige Aufgaben betreut, so das Asyl-Dossier, streicht jetzt auf dem Bild ihr Kleid zurecht für das geplante Foto und blickt schräg neben sich auf den Boden – und der Fotograf Adrian Moser knipst: nicht das geplante Bild, sondern den Augenblick davor. Und damit hat er Sommaruga sich selbst überlassen, machte sie, nicht ihre Rolle sichtbar.
Kategorie Sport mit einem Foto aus der Serie «Combats» von Georges Cabrera
Über 3000 Zuschauer kamen zur ersten «Impact Night» im November 2011 nach Genf. Kampfsportarten wie Boxen, Kyokushinkai Karate und wie hier das Kickboxen, kamen zu Ehren. Was heisst da schon Ehre? Gewalt wird gefeiert. Schmerz erlitten. Blut muss fliessen. Gesellschaftlich sanktionierte Unmenschlichkeit, nach ästhetischen Kriterien gestaltet. Wie lächerlich wirken doch gegen solche Gewaltzeremonien die Anstrengungen, die in Familien, Schule und zwischen Ländern eingesetzt werden, um etwas mehr Frieden zu schaffen. Hier werden, als Sport etikettiert, Leib und Leben gefährdet, beschädigt, zerstört. Georges Cabrera kritisiert nicht, er zeigt. Wer seine ganze Serien betrachtet, erfährt mehr. «Orandum est ut sit mens sana in corpore sano» (Beten sollte man darum, dass in einem gesunden Körper ein gesunder Geist sei), soll der Dichter Juvenal in seinen «Satiren» geschrieben haben. Weiteres Beten scheint nötig zu sein.
In der Kategorie Kunst und Kultur aus der Serie «Silvesterchläuse» von Simon Tanner
Seit zweihundert Jahren feiern die Bewohner von Urnäsch jährlich zweimal Silvester. Am 31. Dezember und am 13. Januar. Dann aber gehen die ausschliesslich männlichen Silvesterchläuse jodelnd von Haus zu Haus. Ihre aufwändigen Kostüme werden monatelang geschneidert und unterscheiden sich in «Wüeschti», «Schöwüeschti» und «Schöni». Der Brauch zieht Touristen aus aller Welt an, bleibt aber zutiefst für die Einheimischen bestimmt. Welche Schönheit, Reinheit, welche Grandezza strahlt doch dieses Foto aus! Es erinnern an berühmte Porträts der italienischen und holländischen Renaissance. Welche Würde und Innerlichkeit, welche Menschlichkeit! Wird hier nicht im Werk von Simon Tanner Unsichtbares sichtbar gemacht?
Foto der Siegerserie «Tripoli libérée» von Olivier Vogelsang aus der Kategorie Ausland
Anfang 2011 galt Gaddafi noch als der amtsälteste Diktator der arabischen Welt. Der libysche Revolutionsführer hatte sich 1969 an die Macht geputscht. Später im Jahr verlangte das Volk mit Leidenschaft und Gewalt Freiheit und Demokratie und den Tod des Herrschers. Im Zuge des Arabischen Frühlings verwandelt sich der friedliche Protest in eine bewaffnete Revolte. Ende August fällt Tripolis und Gaddafi wird umgebracht. Anschliessend werden die luxuriösen Villen des Diktatorenclans geplündert. Wie schnell wird aus dem lauten, bunten Triumph blutiger, tödlicher Ernst, bei welchem auch Kinder zu Akteuren werden. -Das zeigt diese Reportage von Olivier Vogelsang, in welcher ein Knabe hinter einer rosa Federmaske Gaddafi mit seinem Gewehrkolben bedroht. Krieg in der Fotografie, in den Medien? Eine nie beantwortete Frage.
Ein schön aufgemachter Katalog umfasst die Bilder der ganzen Serien und enthält die nötigen Angaben zur Ausstellung. Im Landesmuseum Zürich dauert sie bis zum 15. Juli 2012. Infos siehe: www.landesmuseum.ch. Im Château de Prangins wird die Ausstellung vom 7. Dezember 2012 bis 24. Februar 2013 gezeigt werden.