Emil Nolde in der Schweiz: «Schneeberge, Wolkenschönheit, Wettertannen»

Das Kirchner Museum Davos zeigt bis zum 3. April 2011 die Ausstellung «Emil Nolde in der Schweiz: Schneeberge, Wolkenschönheit, Wettertannen». Die über 100 Werke und Dokumente vermitteln ein doppeltes Erlebnis: die Schönheit der Natur und die Schönheit der Kunst – präsentiert zudem in der Schönheit der Berglandschaft des Prättigaus.

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Sonnenaufgang, 1895, 8.4 x 10.2 cm

Emil Nolde (1867–1956) war einer der führenden Vertreter des deutschen Expressionis­mus, versammelt in der «Brücke» (1905 – 1913) mit Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Otto Mueller, Max Pechstein und Emil Nolde sowie im «Blauen Reiter» mit Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Marianne von Werefkin, Alexej Jawlensky und Franz Marc. In den beiden Gruppierungen wurde der Malstil bis zur Abstraktion weitergeführt, womit sie sowohl für Vollendung wie auch für Umbruch und Aufbruch stehen.

Berühmt wurde Nolde mit seinen Bildern von weiten Marschlandschaften, bewegten Meeren und glühenden Südsee-Stränden. Die Davoser Ausstellung «Schneeberge, Wolkenschönheit, Wettertannen: Emil Nolde in der Schweiz» beleuchtet eine eher unbekannte Seite des Künstlers: Über 100 Werke und Dokumente aus der Zeit von 1892 bis 1948 zeu­gen von seiner anhaltenden Begeisterung für die Schweiz und ihre Landschaften und seiner Umsetzung in eigenständige Bildkreationen.

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Bergsee mit Wolkenspiegelung, ohne Jahr, 34.2 x 7.2 cm

Bereits 1892, als junger Zeichenlehrer in St. Gallen, war Nolde fasziniert von den Bergen und wollte sie unmittelbar erleben. Er wurde Mitglied des Schweizer Alpen-Clubs, unternahm zahlreiche Klettertouren und erklomm Jungfrau, Monte Rosa und Matterhorn. Ab 1894 entstanden die bekannten «Bergpostkarten»: 30 kleine Werke, in denen er den Steinkolossen märchenhaft-menschliche Züge verlieh. Aktuelle Fernsehwerbespots plagiieren sie. In den 1920er und -30er Jahren folgten immer wieder Aufenthalte in der Schweiz, und noch 1948 unternahm der hoch betagte Nolde eine Hochzeitsreise dorthin. Auch zu den «Ungemalten Bildern» – heimlich während des nationalsozialistischen Malverbots ent­standen – gehören Bergmotive, nun als freie Erfindungen, als Traum- und Sehnsuchtsbilder.

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Berglandschaft, ohne Jahr, 34 x 46.1 cm

Die Alpenwelt hielt Nolde fast ausschliesslich in der Technik des Aquarells fest. Die rasch und souverän ausgeführten Werke, in denen leuchtende Farbtöne in reines Schneeweiss fliessen, veranschaulichen sein Erleben und die Schaffensfreude angesichts der impo­san­ten, unberührten Natur. Seine Bilder führen ins Zentrum der Naturerscheinung: Abendhimmel leuchten über schwarzen Gebir­gen, rote Gipfel erglühen über stillen Bergseen, Wolkengebildet steigen auf. Wie seine Bilder vom Meer erreichen auch seine Berg-Aquarelle einen hohen Grad an Abstraktion und wirken in ihrer Farbintensität und offenen Form frisch und aktuell.

Das ästhetische Ereignis: Natur-Schönheit wird Kunst-Schönheit

Noldes Bilder entstammen grösstenteils der Natur, zeigen Berge, Hügel, Seen, Wälder, Blumen und Wolken. Sie bilden ab, was die Natur vorgibt, als Farben und Formen, Form- und Farb-Äquivalenzen sowie Klänge und Harmonien. Diese Abbilder sind nicht dem Detail, sondern der Ganzheit verhaftet. Er bildet das Berghafte der Berge ab, als solches eine fast überirdische Schönheit ausstrahlend. Soweit das Woher.

Diesem folgt das Wohin. Die Natur verwandelt sich durch Noldes Pinsel die Natur in Kunst. Die Bilder folgen nun den Gesetzen der bildenden Kunst. Hier regieren das Nebeneinander von Farbformen, das Klingen der Farbtöne, die Stellung im Raum, die Beziehungen der Teile untereinander. Und damit werden sie Kunst-Werken, erwachsen aus Natur-Werken. Bilder aus reinen Farben und Formen.

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Berglandschaft (mit Tanne), ohne Jahr, 35.5 x 47.8 cm

Den Bergbildern Noldes stellt das Kirchner Museum einige Schweizer Land­schaften von Ernst Ludwig Kirchner gegenüber. Ab 1906 war Nolde über ein Jahr lang Mitglied der von Kirchner mitbe­gründeten Künstlergemeinschaft «Brücke», und auch in den folgenden Jahrzehnten hatte Nolde immer wieder Kontakt zu Kirchner – wenngleich er ihn auf seinen Reisen doch nie in Davos besuchte.

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Mohn vor Berglandschaft, ohne Jahr, 36.9 x 50.5 cm

Zwei Sätze von Ernst Nolde, die zum Weiterdenken anregen: «Das, was man malt, ist dem Maler, wie das Instrument, auf dem der Musisker seine Töne streicht.» und «Träume können Empfindungen, Szenen und Bilder so eindringlich und schön gestalten wie der wache Künstler es nicht kann.» Beide entstammen der Zeit seiner «ungemalten Bilder»

Zur Ausstellung erscheint ein Lesebuch mit autobiografischen Schriften Noldes zur Schweiz, zahlreichen Farbabbildungen und einem Text von Peter Stamm (Verlag DuMont). Das Begleitprogramm beinhaltet neben öffentlichen und privaten Führungen auch Workshops für Erwachsene und Kinder sowie szenische Lesungen mit Nolde-Texten. Weitere Auskünfte sind der Website www.kirchnermuseum.ch zu entnehmen.