Franz Hohler: kurz und fündig

Zu seinem Buch «Das Ende eines ganz normalen Tages»

 

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Foto Christian Altorfer

Per Zufall bin ich auf «Das Ende eines ganz normalen Tages», das vorletzte Buch von Franz Hohler, gestossen, habe zu lesen begonnen und konnte nicht mehr aufhören, bis ich es, mit Schmunzeln und Weitersinnen zu Ende gelesen hatte. Weshalb ich es weiter empfehlen möchte, was hiermit geschehen soll.

Franz Hohler kennen wir als einen zutiefst menschenfreundlichen Poeten, mit Texten, die die Welt verwandelt. Aus scheinbar zufällig sinnlich Wahrgenommenen entsteht Sinn, der uns in den Alltag hinein folgt. Im «Normalen» des Alltags leuchtet die Sensation des Einzigartigkeit des Lebens auf. Und dabei bleibt Hohler auch noch als 67-Jähriger der alte Unruhestifter, der uns seit Jahrzehnten mit klugen, aberwitzigen, bewegenden, fröhlichen, traurigen und nachdenklichen Geschichten immer wieder aus dem Gleichgewicht der Stumpfheit und Normalität wirft.

In einigen der 40 Kurz- und Kürzest-Texten begegnen wir dem Autor und Menschen seiner Umgebung. So erzählt einer vom Bild seiner Schwiegermutter, das im Vorraum seiner Wohnung hängt, wohin er regelmässig Blumen stellt und sich ebenso regelmässig fragt, was eigentlich gewesen wäre, wenn diese Frau einen anderen Mann geheiratet hätte. In «Ich werde alt», «Ich werde noch älter», «Drei Wörter», «Lebenslauf» und «Verzweifelte Blicke» sinniert er, sich und andere beobachtend, über das Älterwerden. Diese Texte glorifizieren das Alter nicht, wie es Altersorganisationen oft machen, in deren Publikationen alle abgebildeten Alten drauflos lachen müssen. Doch er verteufelt es auch nicht, wie es oft, aus mehr oder weniger verständlichen Gründen, einige berühmte Pessimisten tun. Geistreich konsumkritisch kommt die Geschichte «Profitierangebot» und «Gutscheine» daher, in dem er seine Erfahrungen mit der Cumulus-Karte resp. Supercard-Punkten erzählt. In einer andern wollen zwei Jungen, einer davon war er selbst, den Weiher hinter ihrem Haus mit einer alten Ovomaltinebüchse leer schaufeln. Wie die Figuren anderer Geschichten müssen auch sie lernen, dass sich die Welt den Träumen und Plänen des Menschen nur allzu häufig widersetzt.

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Privates und Politisches mischen sich in Hohlers Werk immer. So im Beitrag «12.30», in dem über das Leben mit Informationen berichtet wird. Oder in der Titelgeschichte, in der er berichtet, wie er und die Menschen um ihn herum 9/11 erlebt haben. Oder beim Text «Im gelobten Land», in dem er von der Reise nach Israel/Palästina berichtet, die er mit Eidgenössischen Parlamentariern gemacht hat. Aufschlussreich ist es, neben den Zeugnissen der Autoren vor Ort, den Analysen von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen sowie den täglichen Medienberichten einmal einem Schriftsteller aus der Schweiz zuhören zu können, was in Jerusalem, Bethlehem, Ramallah und Hebron abläuft, was er gesehen, gehört und erlebt hat. Mit einer Interview-Aussage, «Ich probiere ein Leben lang, nicht zu verzweifeln», zeigt sich der Autor in seiner ganzen Breite, in seinem Ja zum Erhalt des Leben und seinem Nein zur Zerstörung der Schöpfung und der Humanität.

Werkliste

Franz Hohler: Das Ende eines ganz normalen Tages. Luchterhand, München 2008. 109 Seiten