Gerhard Richter: ausgezeichnet

Das Kunstmuseum Winterthur zeigt vom heute 82-jährigen Gerhard Richter neue Werke mit dem Titel «Streifen und Glas» sowie die älteren Serien «Elbe» und «November».

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«Strip» (927-1), digitaler Druck, montiert zwischen Aluminium und Perplex, 105 x 230  cm, © Gerhard Richter 2013

Im «Kunstkompass», einer Weltrangliste der lebenden Künstler, belegte Richter von 2004 bis 2008 und 2010 bis 2013 den ersten Platz. Laut «Manager Magazin»zählt er mit einem Vermögen von 200 Mio. Euro auch zu den 500 reichsten Deutschen.Mitzwei Ausstellungen ehrt ihn das Kunstmuseum Winterthur. Im Altbau mit älteren Werken aus dem eigenen Bestand, der Serie «Elbe» aus dem Jahr 1957 und «November» von 2008: Zeichnungen, Aquarelle, Gemälde in Ölfarbe auf Papier oder auf Fotografien aus fünf Jahrzehnten. Im Neubau drei neue Werkgruppen mit dem Titel «Streifen und Glas». Die Doppelausstellung beschränkt sich auf das Früh- und das Spätwerk.

Von «Elbe» bis «November»

Zwei kleine konkret-abstrakte Bilder von 2011 und 2014, vom Künstler als «Strip» bezeichnet, hängen am Eingang des ersten Saales. Bei diesen belässt er die Anordnung der farbigen Streifen weitgehend dem Zufall, technisch jedoch perfekt ausgeführt. Sie antworten in einer neuen Tonart auf frühe Bleistiftzeichnungen und verweisen gleichzeitig auf die aktuellen Werke im Museumsneubau. Schon die frühen Zeichnungen dienen nie als Studien zu Bildern, sondern sind stets selbständige Arbeiten, in Stimmung und Musikalität Landschaftsbildern verwandt.

In den 70er- bis 90er-Jahren entstanden grössere Gruppen mit Aquarellen und kleinere mit abstrakten Zeichnungen, die aufeinander Bezug nehmen, meist illusionistische Räume aus tonigen, verwischten Landschaften vor fernen Horizonten. Figürliche Zeichnungen wie «I. G. beim Fernsehen» (2014) und «S. mit Kind» (1967 und 1995) überzeugen durch ihre sensible Strichführung. In den 90er-Jahren betonte er den bewussten und dennoch instinktiven Umgang mit der Farbe im «Widerspiel von Absicht, Kontrolle und materiellem Widerstand».

Bezug nehmen, meist illusionistische Räume aus tonigen, verwischten Landschaften vor fernen Horizonten. Figürliche Zeichnungen wie «I. G. beim Fernsehen» (2014) und «S. mit Kind» (1967 und 1995) überzeugen durch ihre sensible Strichführung. In den 90er-Jahren betonte er den bewussten und dennoch instinktiven Umgang mit der Farbe im «Widerspiel von Absicht, Kontrolle und materiellem Widerstand».

In den 70er- bis 90er-Jahren entstanden grössere Gruppen mit Aquarellen und kleinere mit abstrakten Zeichnungen, die aufeinander Bezug nehmen, meist illusionistische Räume aus tonigen, verwischten Landschaften vor fernen Horizonten. Figürliche Zeichnungen wie «I. G. beim Fernsehen» (2014) und «S. mit Kind» (1967 und 1995) überzeugen durch ihre sensible Strichführung. In den 90er-Jahren betonte er den bewussten und dennoch instinktiven Umgang mit der Farbe im «Widerspiel von Absicht, Kontrolle und materiellem Widerstand».

«Streifen»

Im Neubau stehen neue Werke direkt aus seinem Kölner Atelier: «Strips», «Lackbilder» und «Glasskulpturen». Die Streifen-Bilder zeichnen sich durch Konzentration, Grossflächigkeit und Klarheit aus. Mit diesen entfernt er sich noch weiter vom malerischen Handwerk als mit früheren. Der Akt des Bilder-Machens beinhaltet jetzt vor allem Nachdenken über die Beschaffenheit des Farbmaterials, ihrer Herkunft und über die Aufnahme des Werks durch die Betrachter.

Die neuen «Strip»-Bilder mit ihren unzähligen feinen Farblinien sind nicht von Hand gemalt, sondern in einem komplizierten Prozess konzipiert und digital mittels Inkjet auf die Bildfläche gebracht. Es sind irritierende, in ihrer Strenge abweisende Bilder. Sie nehmen auf eigene abstrakte Bilder Bezug und erzählen neue Geschichten. Die Vorlagen wurden vertikal halbiert, geviertelt, geachtelt und weiter bis zur Teilung von 4096 Streifen «geteilt, gespiegelt und wiederholt». Aus den vertikalen Farbstreifen resultieren schliesslich horizontale Linien. «To strip» meint Abziehen, Wegnehmen. Das Ergebnis des Prozesses ist also eine Abstraktion der Abstraktionen, die sich einem kontemplativen wie analytischen Blick widersetzt. Sie lassen das Auge weder ruhen, noch geben sie Geheimnisse preis.

«Flow»

Mit der Arbeit an kleinen Lackbildern begann Richter 2008. Diesen lässt er mit dem Titel «Flow» Arbeiten in grösserem Format folgen. Die auf Glasplatten sich ausbreitenden Lackfarben mit ihren organischen, botanischen oder geologischen Formen erinnern an Naturphänomene, werden zu Farb-Landschaften. Wie bei den «Strips» und den Bildern der «Elbe»- respektive der «November»-Zeit bringen auch die «Flows» bei den unerschöpflichen Möglichkeiten der Farbkombinationen den Zufall als Gestaltungsmittel ins Spiel.

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«Flow» (933-3), 2013, Lack hinter Glas, auf Alu-Dibond montiert, 100  x 200 cm, © Gerhard Richter

Lackfarben wurden für diese Werke auf eine Plexiglasplatte gegossen, auf der sie ineinanderflossen. Mit Hilfe von Pinsel und Spachtel manipulierte Richter den Verlauf und die Mischung der Farben, bis er den Vorgang abbrach, um die Komposition in einem bestimmten Ausschnitt und in einem bestimmten Zustand unter der Glasplatte festzuhalten.

«Glas»

Von den «Strips» kommt man erneut zum Glas: diesmal als transparente Scheibe, als Spiegel, ein Material, das Transparenz und Schein verspricht. 1966 hatte der Künstler schon einmal vier Gläser auf Scharnieren in den Raum gestellt, und Spiegel erschienen immer wieder in seinen Werken, um wörtlich und symbolisch den Betrachter im Bild zu reflektieren. Im letzten Jahrzehnt wurden die Glasscheiben häufiger: als grau beschichtete, leicht verspiegelte Gläser vor einer Wand, in Gestellen, hintereinander gesetzt, aneinander gelehnt, mit unterschiedlicher Durchsichtigkeit.

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Kunstmuseum Winterthur: Saal mit Kartenhaus, 7 Scheiben (932), 2013 und «Strips», Foto Reto Kaufmann

Eine Glasskulptur von 2012 zeigt acht unterschiedlich geneigte Scheiben. Damit verwandt eine weitere Skulptur mit zwölf leicht abgewinkelten, hintereinander montierten Scheiben. Jede für sich ist klar und durchsichtig, da sie jedoch gestaffelt sind, verliert sich der Blick auf den Abbildern im Ungewissen. Man steht einer sich verändernden Bildfläche gegenüber, auf welcher sich mit jedem Schritt das eigene und das fremde Spiegelbild verändern.

Die Ausstellung «Elbe» und «November» dauert bis 27. Juli 2014, die Ausstellung «Streifen und Glas» bis zum 21. April 2014. Zur Ausstellung «Streifen und Glas» ist ein Katalog mit Texten von Dieter Schwarz und Robert Storr erschienen, 80-seitig, mit 68 farbigen Abbildungen, Fr. 50.–.

www.kmw.ch