Giovanni Giacometti – Vom Licht inspiriert

Das Kunstmuseum Bern zeigt in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Chur eine Retrospektive des malerischen Schaffens von Giovanni Giacometti (1868 – 1933), dessen künstlerischen Rang die repräsentative Auswahl aus allen Schaffensperioden eindrücklich belegt.

selbstbildnis.jpg/@@images/image/largeSelbstbildnis im Schnee, 1899

Im Mittelpunkt der Ausstellung der mehr als hundert Werke umfassenden, von Therese Bhattacharya-Stettler gestalteten Ausstellung «Giovanni Giacometti – Farbe im Licht» steht Giacomettis Lichtführung. Das Licht, ob leuchtendes Tageslicht, dämmriges Zwielicht oder Nachtdunkel, das vom Mond oder künstlichen Lichtquellen wie Laternen und Lampen aufgehellt wird, war in seinem Schaffen stets ein das Bild konstituierendes Element.

 

maira1.jpg/@@images/image/largeDie Maira mit der Brücke von Stampa, 1906/07

Selbst in seinen Briefen erwähnt er die zentrale Bedeutung des Lichtes für seine Malerei: Er beabsichtige, «in das Wesen des farbigen Lichtes einzudringen…Der Kampf um das Licht» sei schlicht «die Triebfeder seiner ganzen Arbeit». Er bemühe sich um die Wiedergabe von sich verändernden Lichtverhältnissen und um die Intensivierung der Licht- und Farbwirkung. Diese erreiche er durch das Nebeneinander von Strichen oder Punkten mit meist ungemischten, oft komplementären Farben. Er betont, dass «für den Maler alles durch das Licht existiere».

In gleissendes Licht getaucht

Der in Stampa im Bergell 1868 geborene Giacometti fing mit seinem Pinsel immer wieder grossartige Stimmungen der Bergwelt ein und schuf insgesamt ein Oeuvre von grosser koloristischer Kraft und Sinnlichkeit. Faszinierend etwa seine in gleissendes Licht getauchten Berg- und Landschaftspanoramen vom Bergell und von Maloja, wo sein Sommeratelier stand. Die Landschaftsmalerei ergänzen Porträts seiner Familie und in den späten Jahren von ihm nahestehenden Persönlichkeiten. Insgesamt leistete er damit einen wesentlichen Beitrag zur Erneuerung der Schweizer Malerei des zwanzigsten Jahrhunderts.

sommerwiese.jpg/@@images/image/largeSommerwiese bei Stampa, 1910

Nach Studienaufenthalten in München und Paris kehrte Giacometti 1891 nach Stampa zurück, wo er zu seinem herausragenden Stil fand. Eine langjährige Freundschaft verband ihn mit Cuno Amiet, den er in München kennengelernt hatte. Seine Bewunderung galt aber auch seinem frühen Mentor Giovanni Segantini, dem Maler der oft symbolträchtigen Bergwelt. Unverdienterweise steht Giovanni im Schatten seines genialen Maler- und Bildhauer-Sohnes Alberto, der schon zu Lebzeiten, besonders in Frankreich, höchsten Ruhm genoss. Die Ausstellung belegt, dass auch dessen Vater unbestritten zu den führenden Schweizer Künstlern zwischen Impressionismus, Postimpressionismus und Fauvismus gehört.

Unbeirrt auf seinem Weg

Giacomettis Bilder zeigen in der Mehrzahl eine heitere, helle, lichte Welt. Dabei lässt er sich stets von der visuellen Anmutung seiner Umgebung, weniger von Reflexionen zum Malen ermuntern. Von der Natur geht er aus und dahin kehrt er zurück, nachdem er einige Interieurs und Porträts geschaffen hat. Er schloss sich nicht ab, sondern nahm Anteil an den künstlerischen Auseinandersetzung der Epoche, in Gesprächen mit Cuno Amiet, Giovanni Segantini, aber auch mit Ferdinand Hodler, Ludwig Kirchner und Paul Cézanne, indem seine Werke Bezug nehmen zu den andern, ihnen seine Antwort gibt.

ottilia.jpg/@@images/image/largeBildnis Ottilia Giacometti, 1912

Wenn man seinem Lebenswerk chronologisch folgt, kann man es in drei Phasen gliedern. In seiner Jugend malte er in der traditionellen Tonigkeit der akademischen Malerei seiner Zeit, doch schon früh mit einer Vorliebe für die Helle des Lichtes. Um die Jahrhundertwende, als in der europäischen Kunstwelt Aufbruchstimmung herrschte, befreite sich auch Giacometti von diesen Konventionen, ermutigt vor allem durch Vincent van Gogh. Er löste die Flächen auf, die Bilder bestehen jetzt aus meist parallelen Schraffuren. Gegen Ende seines Lebens (1933) wird sein Stil wieder eher gemässigt, angepasst, konform, vielleicht sogar brav, jedoch in einzelnen Werken von reifer Meisterschaft, bereichert durch alles, was er sich zeit seines Lebens von andern angeeignet oder selbst erarbeitet hat.

lerche.jpg/@@images/image/largeDie Lerche, 1920

Wesentlich für sein Oeuvre scheint mir auch, dass es nie, wie Seurat, von einer Theorie, etwa des Pointillismus, total bestimmt wurde. Er stand keinem Trend Pate, sondern war vom Erleben der Natur und vor allem deren Lichtereignissen fasziniert, die ihn stets von Neuem zum Malen motivierten. Auch die Begegnungen mit andern Künstlern seiner Zeit dienten ihm bloss als Impulse, das Fremde zu probieren, ohne dabei von seinem eigenen Weg wegzukommen. Er hatte seine Handschrift und damit transformiert er Natur in Kunst. «Letztlich zeigt die Ausstellung deutlich, dass sein Atelier zumeist die Natur war. In Überfülle finden wir sonnenbeschienene Schnee-, Baum- und Wiesenlandschaften», meint die Kuratorin der Ausstellung.

sommerwiese.jpg/@@images/image/largeWaldinneres im Winter, 1930

Ein Booklet führt durch die Ausstellung, ein Katalog dient der Vertiefung.

Noch bis 21. Februar 2010

www.kunstmuseumbern.ch