Hermann Hesse als Maler: «Ich bin der Maler mit dem Strohhut.»

Das Forum Würth in Chur zeigt im Rahmen seines breiten Kulturförderprogramms bis zum 5. September 2010, in Zusammenarbeit mit dem Museum Hermann Hesse in Montagnola, rund 80 Aquarelle, Gedichtmanuskripte, Skizzenbücher sowie Fotografien und persönliche Gegenstände von Hermann Hesse (1877 – 1962), die das wenig bekannte malerische Werk des grossen Schriftstellers lebendig werden lassen. 

«Nicht, dass ich mich für einen Maler hielte», schreibt Hermann Hesse 1925 ehrlich und bescheiden, «aber das Malen ist wunderschön. Man hat nachher nicht wie beim Schreiben schwarze Finger, sondern rote und blaue.» Für ihn war die Malerei «eine Art von Ausruhen, eine Befreiung von der verfluchten Willenswelt und ein Mittel, um Distanz von der Literatur zu gewinnen». Als Autodidakt hatte er mitten im Ersten Weltkrieg mit Zeichnen und Malen begonnen und fuhr damit als Selbsthilfe während einer gefährlichen Nervenkrise weiter. Seine Aquarelle und Zeichnungen sind zwar keine künstlerischen Meisterwerke, sondern zu Papier gebrachter Ausdruck von «Ausruhen» und «Befreiung». Es sind Gelegenheitsarbeiten eines versierten Zeichners und Malers, vielfach Illustrationen eigener Gedichte, so etwas wie persönliche Ansichtskarten von Landschaften, in denen er sich wohl fühlte – vergleichbar mit dem, was heute viele Menschen mit der Fotokamera machen. Doch da Hesse eine höchst sensible Persönlichkeit war und sein Universum sich aus einem breiten Bilderfundus nährte, sind auch seine Bilder sensibel und reich an Beobachtungen kleiner Schönheiten. Sie strahlen etwas aus von seiner tiefen Bejahung alles Lebendigen.

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Sonnenblumen und Brunnenkresse vor der Casa Hesse 1933, Aquarell und Tuschfeder, 25,8 x 20,7 cm

Die farbenfrohen Landschaften des Tessins – 1919 liess er sich in Montagnola nieder – inspirierten ihn immer neu zu zahlreichen Aquarellen und Zeichnungen. Wie wesentlich ihm die Farben und wie innig seine Beziehung zu den Landschaften waren, in denen er lebte, beschrieb er 1927 in «Ohne Krapplack»: «Leise kracht mein Stühlchen. Und ich lege den Rucksack ins Gras und packe aus, die Malschachtel, den Bleistift, das Papier, ich lege den Karton auf meine Knie und fange an aufzuzeichnen, das Dach, das Kamin mit dem Schatten, die Hügellinie, die hohe, strahlende Villa, die dunklen Raketen der Zypressen, den besonnten, lichten Kastanienstamm, der so wunderbar im tiefen Blauschatten des Gehölzes schimmert. Bald bin ich fertig, es kommt mir heute nicht auf Kleinigkeiten an, bloss auf die Farbflächen. Andere Male wieder kann ich mich auch ins Kleine und Einzelne verlieren und die Blätter am Baum abzählen, aber heute nicht! Heut kommt es mir bloss auf die Farbe an, auf dies satte, schwere Rot des Daches, auf alle die Blaurot und Violett darin, auf das Herausleuchten des lichten Hauses aus dem Baumdunkel.» Er verfolgte im Bereich der bildenden Kunst zeit seines Lebens keine Kunsttheorien, wie sie damals vor allem in Deutschland und Frankreich entwickelt, bekämpft und verteidigt wurden, sondern blieb beim Zeichnen und Malen immer ein «Amateur», dies jedoch im schönsten Sinne des Wortes: ein Liebhaber, ein Liebender. 

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Garten und Hausecke an der Casa Bodmer 1931, Bleistiftzeichnung 17,3 x 25,7 cm

Hesses literarische Bedeutung, als deren vielleicht deutlichster Ausdruck die hundert Millionen Buchexemplare gelten, die weltweit publiziert sind, tritt als Maler kaum in Erscheinung. Was in seinen Büchern jeweils erst nach langwierigen und krisenhaften Entwicklungen Gestalt erhielt, bestimmte seine Bilder vom ersten Moment an: Heiterkeit, Zuversicht, ja eine gewisse Selbstverständlichkeit. Er zeichnete und malte Unscheinbares, lässt jedoch auch darin eine stille Schönheit aufscheinen.

Hermann Hesse, der in der Churer Würth-Ausstellung dem Tessin eine Hommage widmet, nimmt nicht nur durch seine grossen epochalen Romane wie «Steppenwolf», «Glasperlenspiel» und «Siddhartha» eine prominente Rolle in der Weltliteratur ein, sondern auch durch einige hundert Gedichte, die zwischen 1892 und 1962 erschienen. Hier zum Abschluss eines, das – wie seine Zeichnungen und Aquarelle – mit seiner Altersweisheit auch uns Nachgeborenen etwas bedeuten kann:

 

Altwerden

All der Tand, den Jugend schätzt,
Auch von mir ward er verehrt,
Locken, Schlipse, Helm und Schwert,
Und die Weiblein nicht zuletzt.

Aber nun erst seh ich klar,
Da für mich, den alten Knaben,
Nichts von allem mehr zu haben,
Aber nun erst seh ich klar,
Wie dies Streben weise war.

Zwar vergehen Band und Locken
Und der ganze Zauber bald;
Aber was ich sonst gewonnen,
Weisheit, Tugend, warme Socken,
Ach, auch das ist bald zerronnen,
Und auf Erden wird es kalt.

Herrlich ist für alte Leute
Ofen und Burgunder rot
Und zuletzt ein sanfter Tod – 
Aber später, noch nicht heute.

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Häuser bei Nacht, Aquarell und Tusche 11 x 11,5 cm

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