Philipp Bauknecht

Neben E. L. Kirchner hat Philipp Bauknecht als zweiter bedeutender Künstler die Davoser Bergwelt verewigt. Das Kirchner Museum stellt den zu Unrecht weniger Bekannten vor.

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Titelbild: Drei Mäher, 1920 - 1923

Kraftvolle Farbigkeit und kompositorische Ungezwungenheit kennzeichnen die Bilder des Malers Philipp Bauknecht (1884 – 1933), dessen Leben und Werk eng mit dem hochalpinen Luftkurort Davos verbunden sind. Hier entfaltete sich sein künstlerisches Schaffen. Nach dem Besuch der Schreinerfachschule in Nürnberg und einem Studium an der Kunstgewerbefachschule in Stuttgart musste Bauknecht 1919 wegen einer Tuberkuloseerkrankung nach Davon übersiedeln, wo er bis zu seinem Tod 1933 arbeitete.

Hier erlebte er sowohl den mondänen Kurort, der von reichen und intellektuellen Sanatoriumsgästen geprägt war, als auch die rauhe Berglandschaft und die harte Arbeitswelt der bäuerlichen Bevölkerung, exemplarisch im Bild «Drei Mäher» festgehalten. Beides, doch vor allem die ursprüngliche Welt der einfachen Leute und der unberührten Natur spiegelt sich in seinen Gemälden, Aquarellen, Pastellen und Holzschnitten.

Grandiose Natur in reine Bilder verwandelt

 

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Hirtenknabe, vor 1919/20

Steht Bauknecht zu Beginn seiner künstlerischen Karriere noch unter dem Einfluss des Spätimpressionismus und des Jugendstils, so findet er in der alpinen Abgeschiedenheit recht schnell zu einer eigenen expressiven Form. Landschaften und bäuerliches Alltagsleben werden in seinem Werk zum unmittelbaren Ausdruck von Ursprünglichkeit und elementaren menschlichen Gefühlen und Handlungen. Mit seinem «Hirtenknaben» schuf er eines der ersten modern aufgefassten Bilder der Davoser Landschaft, in welchem er sich einer übersteigerten Farbigkeit und einer die Wirklichkeit deformierenden Ausdrucksform bedient.

Er gestaltet fantastisch aufgeladene Landschaften, die Mensch und Natur in einer umfassenden Harmonie vereinen. Dabei werden diese zunehmend zeichenhaft komprimiert und durch starke subjektive Farben und Formen ins Existenzielle erhöht. Von einer Idealisierung des Lebens in den Bergen ist seine Kunst ebenso weit entfernt wie von einer akademischen Verarbeitung desselben. Mehr offenbaren seine Bilder eine Neigung zur grotesken, knochig-ungelenken Überzeichnung der bäuerlichen Bevölkerung. Eindrücklich im «Schwinger», mit welchem er über die Folklore hinaus starke symbolische Akzente setzt. Seine Darstellung der Menschen kann im Zusammenhang mit dem kritischen Expressionismus der 1920er Jahre verstanden werden, wie er sich etwa in den desillusionistischen Menschenbildern eines Otto Dix, George Grosz oder Max Beckmann äussert.

Bäuerliche Wirklichkeit, symbolisch überhöht

 

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Schwinger (Ringkämpfer), vor 1924

Philipp Bauknecht pflegt in Davos auch persönlichen Kontakt mit Ernst Ludwig Kirchner und stellt gemeinsam mit dem älteren und deutlich bekannteren Expressionisten aus. Der asketische und ethisch konservative Bauknecht überwirft sich allerdings schon nach wenigen Jahren mit dem genialischen Kirchner, an dessen bohemehaften Lebensstil er offenbar Anstoss nimmt. Sein Bild «Schwinger» stellt nicht bloss einen Schweizer Brauch dar, sondern gleichzeitig das Verhältnis der beiden Künstler als verkrampften Zweikampf.

Ein Triumph der Farbe im Übergang zur Abstraktion

 

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Winterlandschaft bei Davos Laret, 1928

Liest man das Gemälde «Landschaft bei Davos Laret» von unten nach oben, so steht es exemplarisch für Bauknechts Entwicklung. Unten, stark vereinfacht, jedoch gut erkennbar, als Ausgangspunkt und Einstieg eine in Weiss, Rosa und Gelb gehaltene Landschaft mit Häuschen und einer Tanne, im Mittelgrund links nochmals eine ähnliche Ansammlung von Holzhäusern. Dann aber verwandelt sich in der oberen Hälfte die Stimmung, das Bild, der die Landschaft überdeckende Himmel, in eine Farborgie aus Hellblau, Rot, Gelb und etwas Schwarzblau. Hier löst Bauknecht das noch Figurative zugunsten reiner Abstraktion auf. Hier ist er einmalig, mit keinem andern verwechselbar – mit Gewinn jedoch vergleichbar mit Kandinsky und Nolde.

Der frühe Tod und die anschliessende Verfemung seiner Kunst durch die Nationalsozialisten verhinderten für längere Zeit eine angemessene Rezeption seines bedeutenden Oeuvres. Erst 1960 wurden seine Bilder wiederentdeckt und sind seitdem in Ausstellungen und Publikationen gewürdigt worden. Das Kirchner Museum zeigt ein Werk, das während etwa zwanzig Jahren in den Schweizer Alpen entstanden – jedoch am Ort seiner Entstehung noch nicht richtig wahrgenommen und gewürdigt worden ist.

Die Gestaltung der Räume des Museums erlaubt aufschlussreiche Vergleiche mit Ernst Ludwig Kirchner.

Zur Ausstellung ist ein illustrierter Katalog mit Beiträgen von Thorsten Sadowsky, Beat Stutzer, Iris Wazzau und C. Sylvia Weber erschienen, der wohl eine Informationslücke schliessen wird.

Dienstags und sonntags finden je um 16 Uhr öffentliche Führungen statt. Die Ausstellung dauert bis 19. April 2015. Weitere Auskünfte finden sich hier.