Roman Signer

Überraschende Super-8-Filme und besinnliche Strassenbilder im Aargauer Kunsthaus

Mit Roman Signer im Aargauer Kunsthaus wird einem international renommierten Schweizer Künstler eine Einzelausstellung gewidmet und dessen Schaffen gewürdigt. Die Präsentation von 36 Super-8-Filmen, die in einem Saal ganztags nebeneinander laufen, erlaubt einen konzentrierten Blick auf einen wichtigen Teil seines Oeuvres. Die Kombination dieser Filme mit zwei Fotoserien mit 47 Strassenbildernlässt die Werke in den zwei Medien aus je zusätzlichen Perspektiven betrachten, was neue Bedeutungen zulässt, die sich gegenseitig befruchten.

Spiel mit den Elementen und den Gesetzen derselben

Roman Signer, 1938 in Appenzell geboren, besuchte 1966 nach dem Abschluss seiner Lehre zum Bauzeichner die Schule für Gestaltung in Zürich. Von 1969 bis 1971 war er an der Schule für Gestaltung in Luzern. Seine professionelle Kunstausbildung rundete er mit einem Auslandjahr in Warschau ab, wo er an der Akademie für Bildende Künste studierte. Seit 1971 lebt und arbeitet er als freischaffender Künstler in St. Gallen. Zwischen 1974 und 1995 war er Dozent an der Schule für Gestaltung in Luzern.

Das Aargauer Kunsthaus startet das Jahr mit einer umfangreichen Einzelausstellung des Künstlers. Anlass zur monografischen Werkschau gab der 2011 getätigte Ankauf der Fotoserie der Strassenbilder durch das Kunsthaus. Dafür wurden den 31 x 49 cm grossen Fotografien die Filme, welche Aktionen zwischen 1975 und 1989 dokumentieren, gegenübergestellt.

36 Super-8-Filme: hintersinnig lustig und verblüffend existenziell

Einmalig in der Ausstellung ist die besondere Inszenierung der Super-8-Filme. In Anlehnung an die traditionell museale Bildhängung werden die projizierten Filme nebeneinander gezeigt. Die parallele Anordnung der Projektionen in einem grossen Ausstellungssaal bietet Gelegenheit, die Filme umfassend und, vom einen zum andern wandern, vergleichend wahrzunehmen. Signers Aktionen, die er selbst als «Ereignisse» bezeichnet, sind von äusserst vergänglichem Charakter, verlangen geradezu nach einem filmischen Festhalten. Er verwendete dafür schon früh Super-8-Filme, die zu den wichtigen Dokumenten gehören, die sein gestalterisches Werk zugänglich machen und einen Einstieg in sein Gesamtwerk erlauben. Sie sind kurz und konzentrieren sich auf banale, doch essenzielle, absurde, doch allgemeinmenschliche Vorgänge. Es sind überraschende Abläufe, die Unerwartetes zu Tage fördern, alltägliche Ereignisse, welche Banalitäten zu Sensationen, das Gewöhnliche aussergewöhnlich machen. Die Kameraeinstellungen und subtilen Inszenierungen dokumentieren nicht bloss die Ereignisse, sondern sind selbst Ereignisse.

Einer breiteren Öffentlichkeit dürfte der Künstler mit seiner Sprengkunst bekannt sein, den Installationen, in denen es knallt und raucht, vordergründig Ausdruck einer kindlichen Spiellust im Umgang mit den vier Elementen und den Naturgesetzen, hintergründig Manifest eines spielerischen Eindringens in wenig vertraute, oft verborgene Sphären des Bewusstseins. Am 15.Oktober 2010 beispielsweise, am grossen Gotthard-Tag, wurde eines seiner Kunstwerke anlässlich der Feierlichkeiten in Göschenen gezündet, worüber das Fernsehen in 10vor10 berichtet hat. Weitere solche Kurzfilme, die nicht in der Ausstellung gezeigt werden, sind von Youtube herunterzuladen. Nicht selten taucht der Künstler in seinen Ereignissen selber auf und wird festgehalten in den Filmen: nicht als inszenierender Täter, sondern als «Geburtshelfer» eines konzipierten Ereignisses, das Kopfschütteln oder Staunen auslöst und dann Fragen stellt. Ohne Ton aufgenommen, vermitteln die Filme den visuellen Teil der Ereignisse und verweisen auf deren Potenzial als vergängliche Skulpturen.

Zwei Fotoserien, die zum Nachdenken und Sinnieren einladen

Einen Kontrapunkt zu den filmischen Arbeiten setzen die beiden Fotoserien mit Strassenbildern, die in Aarau gezeigt werden. Die Fotografien nehmen den szenischen Ansatz der Projektionen auf, verweisen gleichzeitig jedoch auf einen weiteren Aspekt in Signers Werk. Diezwei Serien mit 23 beziehungsweise 24 Fotografien zeigen vertraute Phänomene einer Autofahrt durch ländliche Regionen im Osten Europas: improvisierte Verkaufsstände für Obst und Gemüse und Gedenkstätten zur Erinnerung an Verkehrsopfer. Diese seriellen Bilder gleicher oder ähnlicher Motive machte Signer während einer Reise durch die Karpaten, die Ukraine und Rumänien.

        

Zeugnisse der menschlichen Arbeit und der Vergänglichkeit

Ob es sich um das Anpreisen der Erträge aus dem eigenen Garten handelt: als Früchte des Arbeitens, also des arbeitend gelebten Lebens. Oder das Bedürfnis zur Trauer um den Verlust eines geliebten Menschen, also des ans Ende gekommenen Lebens. In beiden Fällen nehmen persönliche Notwendigkeiten physische Gestalt, ästhetische Form an, geht es um existenzielle Befindlichkeiten und Situationen des Lebens. Trotz der unspektakulären Beiläufigkeit der alltäglichen Arrangements gelingt es dem Künstler, diese Installationen der Öffentlichkeit zur Deutung vorzusetzen.

Anmerkungen

Die Ausstellung im Aargauer Kunsthaus dauert bis 22. April 2012.

Als Kuratoren wirkten Madeleine Schuppli und Thomas Schmutz.

Zu den Strassenbildernerscheintder Katalog «Karpaten Ukraine Rumänien» mit Texten von Paula van den Bosch und Madeleine Schuppli.

Führungen, Kunstvermittlungsveranstaltungen und ein Künstlergespräch von Madeleine Schuppli mit Roman Signer am 8. Februar um 18:30 Uhr runden die Ausstellung ab.

Gleichzeitig gibt es im Aargauer Kunsthaus in der Reihe «Caravan» eine Ausstellung von Daniel Karrer und die Ausstellung «Blick», für welche Daniela Keiser, Hans Peter Litscher, Lutz&Guggisberg und Georg Gatsas mit dem Bildarchiv von Ringier gearbeitet haben.

Weitere Informationen auf www.aargauerkunshaus.ch.