Wandern auf Kirchners Spuren in Davos

Selten gibt es eine bessere Gelegenheit, Kunst und Natur, Wandern und Bilderbetrachtung zu verbinden, wie mit der Wanderkarte «Auf den Spuren von Kirchner in Davos».

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Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938) gehört zu den populärsten Malern des vergangenen Jahrhunderts. Im Seniorweb wurden die letzte grosse Ausstellung ausführlich besprochen (http://www.seniorweb.ch/type/magazine-story/2010-04-28-begegnung-mit-e-l-kirchner). Er fasziniert spontan und macht dennoch neugierig auf eine weitere Auseinandersetzung. Seit Jahren veranstaltet das Kirchner Museum Davos, wo der grösste Teil seines Oeuvres liegt, Wanderungen auf den Spuren des Künstlers. Unvergessen sind mir solche halbtägige Führungen, bei welchen wir unter kundiger Leitung all die Orte besuchten, wo Kirchner gelebt, gewohnt, gemalt hatte – und gleichzeitig die Landschaften sahen, die er in seinen Werken festgehalten hatte. Wir konnten dabei den Prozess des kreativen Tuns nachvollziehen.

Diese Führungen auf Kirchners Spuren fanden stets an einem bestimmten Termin statt, der einem manchmal passte, manchmal nicht. Nun hat das Museum die Erfahrungen der bisherigen Wanderungen ausgewertet und in eine Karte und eine Broschüre einfliessen lassen. Und damit stehen einem jetzt zeitunabhängig Wanderungen von einer bis sieben Stunden in einer faszinierenden Landschaft und gleichzeitig ein beschauliches Eindringen in das herausragende Oeuvre eines grossen Expressionisten offen.

E. L. Kirchner: Ölbild, Brücke bei Wiesen, 1926

Informativ und handlich

Eine schön aufgemachte Karte zeigt vier Routen mit Varianten für den Sommer und den Winter. Versehen sind sie mit allen nötigen Angaben: Gehzeit, Höhenunterschiede, Bahn- und Bushaltestellen, Gaststätten mit Websites, ja sogar öffentliche Toiletten und weitere für das Wandern nützliche Informationen wie die Telefonnummern von Polizei, Sanität und Rega.

Eine 50-seitige handliche Broschüre mit einem Grusswort des Präsidenten des Kirchner Vereins Davos und einem Vorwort der Direktorin des Museums: «Mit dieser Wanderkarte und dem dazu gehörigen Heft möchten wir kulturbegeisterten Wanderern einige Möglichkeiten aufzeigen, die kraftvolle Berglandschaft mit dem Blick des Künstlers zu erleben. (…) Es würde uns freuen, wenn sich nicht nur beim Wandern das äussere Panorama erschlösse, sondern auch beim Blättern ein inneres.»Es folgt eine ausführliche Biografie Kirchners mit der Erwähnung aller wichtigen Personen seines damaligen Umfeldes sowie aller Orte, wo er sich aufgehalten hatte, und wo Bilder entstanden sind: in den Lärchen, im Wildboden, im Waldfriedhof, auf der Schatzalp, auf der Stafelalp, in Frauenkirch, auf dem Wildboden und in Davos im Kurpark, im Sportzentrum und im Café Schneider, in der Villa Fontana und der Villa Pravigan, im Rathaus- und Postplatz sowie im Bahnhof Davos Platz.

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E. L. Kirchner, Ölbild, Tinzenhorn, 1919/20

Orte und Personen zum Leben erweckt

Und gleichzeitig werden die Personen, die im Leben des Malers eine wichtige Rolle gespielt haben, umfassend vorgestellt: seine Partnerin Erna Schilling, die Stafler Bauern, das Ehepaar Henry und Nele van de Velde, die Tänzerin Nina Hard, der Philosoph Eberhard Griesebach, seine Ärzte, die Familie Staub, die Weberin Lise Gujer, die Gruppe Rot-Blau (Paul Camenisch, Albert Müller und Hermann Scherer), die drei Schwestern Rüesch, Rosita Schneider vom beliebten Café Schneider, Julius und Elisabeth Hembus, der Architekt Rudolf Gaberel und nicht zu vergessen der Kater Boby sowie weitere Männer und Frauen, mit denen Kirchner zufällig im Kontakt war.

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E. L. Kirchner, Skulptur, Lehrer Florian Bärtschi mit Schulkindern, 1936

Ein besonderer Davos-Aufenthalt

Wer drei, vier oder fünf freie Tage hat, sich im Museum Kirchner in die Welt des Künstlers eingesehen und -gelebt hat, liest sich mit Vorteil vorher in jede der vier Wanderungen ein. Er oder sie wird in Davos etwas erleben, das bleibende Spuren hinterlässt: einen vertieften Einblick in die Welt von Ernst Ludwig Kirchner und darüber hinaus eine grundsätzliche Erfahrung zur Beziehung von Kunst und Natur und zum Prozess der Entstehung von Kunstwerken grundsätzlich. Dies alles wird mit der kleinen Publikation für jeden interessierten Laien erfahrbar und verständlich, ohne dabei der wissenschaftlichen Exaktheit zu widersprechen. Karin Schick, die nach sechsjähriger Leitung das Museum Ende Jahr verlässt, schenkt mit diesem kleinen Werk, das zu Fr. 28.- beim Kirchner Museum zu bestellen ist (info@kirchnermuseum.ch) einem breiten Publikum ein besonderes, ein wertvolles Abschiedsgeschenk, das unsern Dank verdient.

www.kirchnermuseum.ch