Wandern mit den Augen der Künstler

Wer es liebt, durch die Bündner Landschaften zu wandern und die Bilder davon zu betrachten, kommt bei «Wandern wie gemalt – Graubünden» voll auf die Rechnung.

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Oft sind es zwei weit voneinander entfernte «Fraktionen»: die Wandervögel und die «Kunstliebhaber», entsprechend unterscheidet sich auch ihre Lektüre, Reiseführer der einen, Kunstbücher der andern. Brillant vereinen die Wanderbuchautorin Ruth Michel Richter und der Reisefotograf Konrad Richter diese Extreme in ihrem Band «Wandern wie gemalt – Graubünden. Auf den Spuren bekannter Gemälde» diese Extreme. Wandernd führen sie zu berühmten und weniger berühmten Gemälden im Bündnerland, nachdem sie bereits mit einem ähnlichen Werk Erfolg hatten, «Wandern wie gemalt – Auf den Spuren bekannter Gemälde im Berner Oberland».

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Giovanni Segantini: Strickendes Mädchen, 1888

Die Sprache des Textes und die Gestaltung der Bilder sind spannend, unterhaltsam und informativ: ein Genuss, der zum Wandern einlädt und zur Kunst hinführt. Dabei gibt es Neues zu entdecken: eine kluge Hinführung zu Kunstwerken, informativ und verständlich für Laien und Fachleute, praktische Anregungen zum Wandern der besonderen Art für mehr oder weniger Trittsichere.

Die wilde Schlucht der Viamala, die weite Ebene der Lenzerheide, die strahlenden Farben des Engadins oder die sanften Gipfel des Bergells – die Landschaften Graubündens sind vielfältig, so auch die von ihnen inspirierten Kunstwerke. Die 14 Wanderungen, die beschrieben werden, führen durch die unterschiedlichsten Regionen zu 22 Standorten und dort zu Gemälden, Skizzen, Stichen und Tourismusplakaten. Das Buch lädt ein zu intensiven Begegnungen mit Giovanni Segantini, den drei Giacomettis, Ernst Ludwig Kirchner, Alois Carigiet, aber auch zu überraschenden Entdeckungen wie die einer Bündner Landschaft des deutschen Expressionisten Otto Dix oder Ansichten des Unterengadins des in Vergessenheit geratenen Malers Edgar Vital aus Ftan und vielen andern.

Ein Wander- und Wunderbuch

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Edgar Vital: Ftan Pitschen, 1925

Entlang der abwechslungsreichen Routen für Sommer und Winter werden von Ruth Michel Richter ausgewählte Künstler und ihre Werke, ihre Beziehung zur Region und Bedeutung in der Kunstentwicklung vorgestellt. Den Abbildungen aus einer Zeitspanne von zweihundert Jahren stehen Konrad Richters aktuelle Fotografien gegenüber, was zu faszinierenden und oft überraschenden Einsichten führt. Dank den zahlreichen aussagekräftigen und stimmungsvollen Fotos ist das Buch auch ein praktischer Reiseführer.

Dem Serviceteil liessen die Autoren grosse Sorgfalt angedeihen. Ein Buch für Fuss- und Kopf-Expeditionen, das elegant die Kunst- und die Tourismusgeschichte verbindet und reflektiert. «Wandern wie gemalt» enthält auch Routenbeschreibungen, Karten sowie Hotel-und Restaurant-Tipps. Der sorgfältig, klug und geschmackvoll gestaltete Band bietet grosses Vergnügen, ist ein literarisches Bijou, eignet sich als Wander- und Kunstführer bestens als Geschenkbuch.

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Johann Jakob Meyer: Montespluga, 1923

Titelbild: Otto Dix: San Gian im Winter, 1938

Michel Richter, Ruth /Richter, Konrad: Wandern wie gemalt Graubünden. Auf den Spuren bekannter Gemälde. 432 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen und Fotos, Routenskizzen und Serviceteil, 20,4 x 13,5 cm, Fr. 45.-.