Für ein human globalisiertes Welt-Wir!

Aargauer Zeitung, September 2006

Die Abstimmung über das neue Asyl- und Ausländergesetzt zielt auf ein Ereignis, welches das 21. Jahrhundert noch radikal verändern dürfte: die Völkerwanderung von Süd nach Nord, von Ost nach West – von der Armut in den Reichtum. Unterbinden kann und darf diese niemand. Verdrängen, nicht wahrhaben kann man sie bloss, indem man sich auf die Vergangenheit fixiert. Doch die Welt dreht sich stets vorwärts, nie rückwärts. Und mitgestalten können wir nur die Zukunft. Es gilt mitzuhelfen, diesen epochalen Prozess so gut wie möglich ablaufen zu lassen, im Grossen wie im Kleinen. Diese Völkerwanderung ist weltgeschichtlich notwenig, sie will die Not eines Grossteils der Menschen wenden. Und Not herrscht nun wirklich im grössten , Leserbrief, September 2006Teil der Welt; nur auf kleinen Inseln, wie bei uns, gibt es Wohlstand und Überfluss – auf Kosten der andern.

Gleichgewicht und Ausgleich schaffen die Gesetze der Physik – aber auch der Geschichte. Dass von dort, wo es zu viel hat, genommen, und dorthin, wo es zu wenig hat, verschoben wird, ist natürlich. Dies geschieht «normalerweise» durch Kriege oder künftig mit dem weltweit agierenden Terror, dessen Vorspiele wir gegenwärtig erleben. Dass Krieg und Terror einen Grossteil der Menschheit auslöschen können, liegt auf der Hand. Folglich ist es nur vernünftig, das fundamentale Problem der Völkerwanderung lösen zu versuchen. «Alles Leben ist Problemlösen», meinte der Rationalist Karl Popper.

Mir scheint der Kern des anstehenden Problems beginnt bei dem kleinen Wörtchen «Wir». Wir gehen von einem falschen Wir aus. Wer sind wir denn aber? Angesicht einer neuen, globalisierten Welt gilt es, auch unser Wir neu zu definieren. Es kann heute doch nicht mehr das alte Wir unserer abgeschlossenen trauen Familie, unserer fein säuberlich geordneten Gemeinde, unserer tadellos funktionierenden Schweiz sein, wo es uns immer noch besser gehen muss, wo wir immer noch mehr verdienen, anhäufen, verbrauchen müssen. Es braucht ein neues, durch die Globalisierung ausgeweitetes, humanes und solidarisches Welt-Wir!