Abgehoben von der Schulpraxis

Zu «Integration ist ein demokratisches Ziel», AZ, 23. 1. 2010

Selten musste ich so oft den Kopf schütteln bei Antworten auf Fragen wie beim Lesen des Interviews mit dem «obersten Sonderpädagogen der Nordwestschweiz» Jan Weisser. Auf die Feststellung von Hans Fahrländer «Wenn die Schlechten mit den Guten zusammen sind, merken sie erst recht, dass sie schlecht sind» antwortet er «Einteilung in die Kleinklasse bedeutet Einteilung bei den „Dummen“.» Ich denke, bei einer guten Schulhauskultur ist das nicht so.

Auf den Einwand, «In der Kleinklasse erhält doch ein Kind dauernd Sonder-Unterstützung, in der Regelklasse nur noch wenige Lektionen», Weissers Antwort: «Es geht um die binnendifferenzierte, das heisst individualisierte Didaktik» Was heisst dies konkret, so geschrieben, dass es ein durchschnittlich begabter Zeitungsleser versteht? Auf die Anmerkung «Für kleinere Gruppen braucht es mehr Lehrpersonen» folgt als Antwort «Grösse der Lerngruppe und Individualisierung haben keinen unmittelbaren Zusammenhang.» Welche Lehrperson stellt für eine beliebig grosse Lerngruppe die individualisierenden Arbeiten zusammen? Und auf die Bemerkung des Redaktors «Zusammenarbeit ist neu und die Absprachen sind aufwändig» meint der Dozent für Erziehungswissenschaft und Sonderpädagogik: «Man soll nicht Belastung gegen Integration ausspielen» So schreibt jemand, der offensichtlich nie an der Volksschule unterrichtet, sondern immer nur an Hochschulen gearbeitet hat. Vielleicht liegt hier der Grund für die verfahrene Schulentwicklung in unserem Land: Von der Schulpraxis abgehobene Wissenschafter schreiben vor, was Lehrkräfte in der Schulpraxis zu tun haben.