«Overnewsed and underinformed»

Radiosymposium «Jung, überinformiert – unwissend?»

Schweizer Radio DRS und das Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich führten am 22. Oktober in Zürich das 5. Radiosymposium durch. Thema: «Jung, überinformiert – unwissend? Die heutige Generation, ihre politische Meinungsbildung und die Medien».

Medien legitimieren sich gerne mit ihrem Beitrag zur politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung. Doch wie weit stimmt dies bei den Jungen? Sind die meinungsbildenden Medien bei ihnen wirklich gefragt, kommen ihre Botschaften überhaupt an? Oder braucht es für sie andere Vermittlungformen und Zugänge zur Politik? So etwa hiessen die Fragen der Forschenden und Medienschaffenden:

Prof. Dr. Heinz Bonfadelli: Die heissbegehrten Jungen – Phantom oder Zielgruppe?

Dr. Stephanie Weiss: «Alte» Medien für junge Leute?

Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun: Pop statt Politik?

Dr. Mirko Marr: Topinforiert, aber unwissend?

Markus Spillman: Die Sicht des Medienunternehmens NZZ

Dazu gab es ein Podium mit Ueli Haldimann (Schweizer Fernsehen), Robert Ruckstuhl (Schweizer Radio), Markus Spillmann (Neue Zürcher Zeitung), Daniela Decurtins (Tages-Anzeiger), Marcel Kohler (20 Minuten) mit dem Titel «Legitimation unter Druck? Wie Leitmedien ihre Legitimation behaupten wollen» und ein Gespräch mit Jugendlichen über ihr Medienverhalten.

Medienkunde aus erster Hand

Die Themen, über die referiert wurde, sind für die Medien und die Gesellschaft zentral: die Medien, weil sie ihr Selbstverständnis und ihre Legitimation betreffen, die Gesellschaft, weil eine funktionierende Demokratie auf informierte Bürgerinnen und Bürger, auch die Jugendlichen, angewiesen ist. Abschliessende und grundsätzliche Antworten waren nicht zu erwarten, jedoch interessante Hintergründe, Fakten und Zahlen, Differenzierungen und Anregungen. Es sei denn, dass es die Jugend nicht gibt; dass stets neue Medien entstehen, die Junge nutzen; dass Zeitungen, Radio und Fernsehen jünger werden müssen, wollen sie Jugendliche ansprechen; dass die viel zitierte Chomsky-Formulierung «Overnewsed and underinformed» (überversorgt mit News, unterversorgt mit Information) für alle gilt. Die häufigste konkrete Frage im Hintergrund jedoch hiess: Ist es eher positiv oder negativ, wenn Jugendliche, statt nichts, regelmässig Pendlerzeitungen lesen?

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Konkrete Antworten für den Alltag von Lehrpersonen waren im Programm nicht vorgesehen; was nicht heisst, dass im Sinne einer modernen Medienkunde Pädagoginnen und Pädagogen von diesem Symposium hätten profitieren können, vor allem Kaderleute der Bildungsdirektionen und Dozierende für Medienbildung der Pädagogischen Hochschulen. Sie haben etwas verpasst! Doch sie können nächstes Jahr hingehen und das Versäumte mit Downloads nachholen:

Referate unter www.radiosymposium.drs.ch/?i=8,

«Doppelpunkt» vom 23. 10. 2008: www.drs1.ch/www/de/drs1/sendungen/top/doppelpunkt.html

ODER

Top informiert und unwissend - Radiosymposium «Jung, überinformiert – unwissend?»

Sie lesen lieber Blogs als Zeitungen, besuchen online Wikipedia statt Bibliotheken, holen ihre Musik aus dem Internet statt aus Läden, versenden SMS und MMS statt Briefe und finden ihre Freunde virtuell auf Websites und beim Chaten. Dies in etwa der Ausgangspunkt für das 5. Radiosymposium von Schweizer Radio DRS und dem Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich von Ende Oktober. Thema «Jung, überinformiert – unwissend? Die heutige Generation, ihre politische Meinungsbildung und die Medien».

Die Medien, vorab die öffentlich rechtlichen und die Qualitätszeitungen, legitimieren sich gerne mit ihrem Beitrag zur politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung. Doch wie weit funktioniert dies bei den Jungen noch? Sind die meinungsbildenden Medien bei ihnen überhaupt gefragt, kommen ihre Botschaften wirklich an? Oder braucht es für sie andere Vermittlungformen und Zugänge zur Politik? Fragen an Forscher, Medienschaffenden, die Jugendlichen selbst und Erzieherinnen und Erzieher.

Informationen über den Medienkonsum der Jugendlichen sind Informationen über die Jugendlichen

Folgende Feststellungen ergaben sich u. a. beim Symposium: Die Jugend gibt es nicht, was die Wissenschaft und die Wirtschaft längst weiss, sondern lediglich sich ständig verändernde globalisierte neue Profile der Jugend. Aber auch die Medien, die Jugendliche nutzen, entstehen in immer schnelleren Folgen. Zeitungen, Radio und Fernsehen müssen «jünger» werden und sich den neuen Kommmunikationstrends anpassen, wollen sie Jugendliche wirklich ansprechen. Und weiter scheint es, dass das berühmte Chomsky-Zitat «Over newsed and under informed» (überversorgt mit News, unterversorgt mit Informationen) auch für Jugendliche gilt.

Ist es eher positiv oder negativ, wenn Jugendliche, statt nichts, regelmässig Pendlerzeitungen lesen? Die Antworten auf diese oft gestellte Frage unterscheiden sich je danach, ob sie zum Beispiel von Mitgliedern der 68-er-Generation oder der Internet-Generation, den «Digital Natives», kommen. Wenn die renommierte Zeitschrift «Nature» kürzlich die Fehler in Wikipedia und der Encyclopaedia Britannica verglichen hat und feststellt, dass es beim Internet-Lexikon pro Artikel durchschnittlich vier, beim Print-Lexikon drei Fehler hat, heisst das doch, gründlich über die Chancen der neuen «Weisheit der Vielen» (James Surowiecki) nachzudenken – und Folgerungen für Didaktik und Pädagogik zu ziehen.

Für die vertiefende Weiterarbeit gibt es zwei Downloads: die Referate unter www.radiosymposium.drs.ch/?i=8, die Radiosendung «Doppelpunkt» vom 23. Oktober 2008 unter www.drs1.ch/www/de/drs1/sendungen/top/doppelpunkt.html.