Die Leichtigkeit des Daseins spüren

Unterhaltung hat, seit Ingrid Deltenre SF DRS führt, an Bedeutung gewonnen, und Gabriela Amgarten ist eine ihrer kreativsten Mitarbeiterinnen bei diesem „Frühlingserwachen“ der Schweizer Fernseh-Unterhaltung. Hanspeter Stalder hört im Publikumsrat und von aussen aber auch Kritik an dieser Entwicklung und an einzelnen Formaten. – Nachfolgend versucht er, beide Seiten zu verstehen und ortet dabei grundsätzliche Fragen zur TV-Unterhaltung und Fragen zum Selbstverständnis des Publikumsrates.

Gabriela Amgarten ist eine der Erfahrensten und Erfolgreichsten der heutigen Unterhaltungs-Crew im Leutschenbach. Sie wurde 1961 in Lungern geboren, besuchte eine Krankenpflegeschule und war in der Psychiatrie tätig, bevor sie bei Radio Pilatus einen Stage absolvierte und dort einige Zeit blieb. Dann wechselte sie für ein halbes Jahr zur LNN und kam 1990 zum Schweizer Fernsehen.

Hier begann Amgarten als Redaktorin bei „Schweiz aktuell“, moderierte das „SonntagsMagazin“ und übernahm Präsentation und Redaktion von „Risiko“. Dann erhielt sie den Auftrag, „Eiger, Mönch und Kunz“ zu konzipieren, leitete die Sendung und wird sie im Februar als „Eiger, Mönch und Maier“ neu herausbringen. Seit September 2004 leitet sie zusammen mit Sybille Marti die Redaktion „Quiz und Spiele“ und betreut „al dente“, „VIParade“, „Deal or No Deal“, „Donnschtig-Jass“, „Samschtig-Jass“, „Eiger, Mönch und Mayer“ und ab Ende März „5 gegen 5“.

Begeistert vom neuen Wind

Unterhaltung hätte bei SF DRS Nachholbedarf, meinte sie und begründete dies: „Peter Schellenberg war ein Newsmensch. Er baute eine hervorragende Informationsschiene. Die Unterhaltung entwickelte sich hingegen zu langsam. Seit Ingrid Deltenre da ist, weht ein kräftiger Wind durchs Haus. Ich finde dies sehr erfrischend und bin begeistert über die neue Ära. Mir gefällt es sehr gut, wie sie Ideen einbringt und bei den Mitarbeitenden Energien freisetzt.“ Doch gerade „Deal of No Deal“, ein ausgewiesener Publikums-Hit mit bis zu 800 000 Zuschauenden, fand im Publikumsrat wenig Gnade.

„Unterhaltung ist ein wichtiger Teil des Lebens“, findet die Fernsehfrau. „Wir müssen zwischendurch die Leichtigkeit des Daseins spüren, damit wir uns wieder voll dem Ernst des Lebens widmen können. In diesem Sinn hat Unterhaltung absolut ihre Berechtigung. Es ist ein Muss, dass es uns beim Fernsehen gibt!“ Soweit folgt ihr noch ein Grossteil des Rates.

Sendeformate und Kritisieren hinterfragen

Schwieriger fällt es ihm, wenn anscheinend in der Unterhaltung, von gewissen ethischen Grenzziehungen abgesehen, nur noch Einschaltquoten gelten sollen. „Doch für uns ist die Quote wichtig. Es ist unsere Aufgabe, ein breites Publikum zu erreichen“, entgegnet sie mir, „Wir können keine Seife produzieren, die allen Normen entspricht, doch von niemandem gekauft wird. Unsere Seife muss von der Mehrheit geliebt und gekauft werden. Wir sind die Quoten-Sammler des Hauses!“ Das provoziert und verunsichert uns Ratsmitglieder, die wir uns fragen, ob nicht auch die Unterhaltungssendungen höheren künstlerischen Werten, der Kultur und Bildung verpflichtet sein müssten?

Geschlagen war ich dann aber, als Amgarten argumentierte, dass dank den Werbegeldern, die rund um diese Publikumsmagneten eingespielt werden können, anspruchsvollere Programme alimentiert werden. Das eine nicht ohne das andere! Etwas kleinlaut gab ich zu, dass es wohl nur so funktionieren könne – im real existierenden Kapitalismus der heutigen Fernsehwelt. So beispielsweise bei „Deal of No Deal“ mit seinen rund 43 Prozent Marktanteil. Und dann frage ich mich ernsthaft, mit welcher Legitimation ich, dieses Publikum nicht beachtend, in der Unterhaltung des Massenmediums Fernsehen meine kulturellen Standards einfordern darf. – Ich weiss, dass dies nicht die ganze und nicht die letzte Antwort ist. Und doch...

Wenn solche Fragen gelegentlich auch anderen Mitgliedern des Publikumsrates und der Programmkommissionen aufsteigen, scheint es an der Zeit zu sein, darüber wieder einmal gründlich nachzudenken. Genau das kann am diesjährigen Seminar des Rates mit dem Titel „Paradigmenwechsel“ geschehen. Dort ist der Diskurs zu führen: bei den Fernsehschaffenden, die es sich mit dem Quoten-Argument gelegentlich etwas gar leicht machen, aber auch bei dem oft zu selbstsicher und zu wenig reflektierten Kritisieren des Publikumsrates.

Diese heilsame Verunsicherung und die Motivation, mich selbst wieder einmal zu hinterfragen, verdanke ich der kurzen, aber intensiven Begegnung mit Gabriela Amgarten und der Auseinandersetzung mit „Deal or No Deal“.