Gesucht: Medien-Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter

1. Die Medien und das Soziales - zwei Systeme

Unsere Welt kann als Zusammenspiel vielfältiger Systeme verstanden werden: das System der Politik, der Wissenschaft, der Kultur, der Wirtschaft, des Militärs, der Polizei, der Ökologie usw. Und da gibt es auch das System der Medien und das System des Sozialen.

Von einer Informations- und Mediengesellschaft spricht man heute. «Nichts mehr geht ohne Medien, Werbung, Information, Public Relations», hört man. Die Medien nehmen das menschliche Leben immer stärker in Beschlag, sie sprechen menschliche Bedürfnisse an.

Daneben gibt es das System des Sozialen, bei uns gut ausgebaut und effizient arbeitend, in der Vergangenheit meist im Privaten, künftig wohl vermehrt an der Öffentlichkeit arbeitend. Das System ist notwendig, es beantwortet menschliche Bedürfnisse, versucht sie zu befriedigen.

Beide Systeme sind weit voneinander entfernt. Das eine nimmt das andere kaum wahr. Mein Anliegen ist es, die beiden Systeme einander näher zu bringen, sie miteinander zu verschränken und zusammenwirken zu lassen.

2. Probleme beim Sender

Die sozialen Institutionen, deren Ablagen und Archive, enthalten ungezählte Informationen: gründliche Analysen und Lösungen sozialer Probleme. Da gibt es neue Wohnmodelle für ältere Menschen, fortschrittliche Eingliederungskonzepte für Behinderte und Integrationsbeispiele für Asylanten, Entzugsmodelle für Drogensüchtige. Meist stehen solche Informationen in Dokumentationen, Kleinpublikationen und Büchern für Spezialisten und sind für den internen Gebrauch bestimmt. Doch wir alle wissen, dass zur Lösung dieser Probleme eine grössere Oeffentlichkeit sie kennen soll. Doch die Haltung «Tue Gutes und sprich darüber!» ist bei den Leuten des Sozialen noch immer zu wenig verbreitet.

Die Medien aber benötigt für die diversen Rubriken und Gefässe dringend Erfahrungsberichte und Modelle als Grundlage für Sendungen über soziale Themen für die vielfältigen Publika der Massen- und Gruppenkommunikation.

Im Sozialen gibt es ungezählte, jedoch meist ungenutze Erfahrungen, Entdeckungen, Einsichten und Erkenntnisse, welche von den zuständigen Personen im Sozialen aber zurückgehalten werden. Die sozial Engagierten vergessen oft ob ihrer aktuellen Belastung, dass es staatpolitisch von hoher Bedeutung ist, dass ein öffentlicher Diskurs über die aktuelle Befindlichkeit und künftige Gestaltung der Gesellschaft stattfinde - auch im Bereich des Sozialen.

Im System der Medien, d.h. den Massenmedien Fernsehen, Radio und Film sowie in der Audiovision, bei der Multimediashow, den Kleinmemdien und den Neuen Medien wie Internet und Blog ist ein Mangel an Grunderfahrung und Basiswissen über das System des Soziales festzustellen.

Eine Absurdität: Im einen System, beim Sozialen, herrscht Ueberfluss an differenziertem Know How, Informationen und Bildern über soziale Situationen und Fragen, von denen aber nichts auf die andere Seite, in die Medien, gelangt. – Dies jedoch kann geändert werden! Das System des Sozialen, die Organisationen und Instiutionen, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, haben sich ins System Medien einzubringen, haben es für ihre eigenen Anliegen zu nutzen: bei der Produktion, beim Sender.

Ich fordere für die Zukunft Medien-Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter beim Sender, die die soziale Welt über den Sender mit den Medien und ihren Aussagen an die Empfänger bringen!

3. Probleme beim Empfänger

Bei den grossen Massenemedien werden jährlich Tausende von Stunden Programme hergestellt. Das Schweizer Fernsehen etwa produziert täglich 36 Stunden eigene Programme, das Schweizer Radio täglich 25 Produktionen (Stand 2005). Etwa alle Tage entsteht in der Schweiz ein freier Film. Pro Jahr werden Hunderte von Tonbildern geschaffen. In diesem Angebot gibt es ausgezeichnete Spiel- und Dokumentarfilme, Fernsehbeiträge, Radiodokumentationen, Audiovisionen und Kleinmedien - auch über soziale Themen.

Bei den Massenemdien und bei der Audiovision besteht ein Riesenangebot zum Teil ausgezeichneter, jedoch kaum genutzter Sendungen zu sozialen Themen.

In den sozialen Institutionen dagegen benötigt man, intern und extern, für die Schulung der professionellen und freiwilligen Mitarbeitenden sowie zur Information der breiten Öffentlichkeit und bestimmter Zielgruppen Medien. Es braucht Lehr-Lern-Medien, die einen Stoff systematisch darbieten, Anspiel- und Impuls-Medien, die Gespräche auslösen: Porträts, lange und vor allem kurze Spielfilme, aktuelle Statements, Features, Informationen, Lernangebote, Diskussionen, kurze Spots, Fotos, Folien, Tondokumente usw.

Im System des Sozialen fehlen Medien, welche die zahlreichen Aspekte des Sozialen behandeln, Kataloge, die Übersicht über das Angebot bieten, Visionierungen, mediendidaktische Kurse und individuelle Beratung. Es mangelt am Erfassen und Präsentieren der Medien, an Beratung und Unterstützung für den Einsatz der Hilfsmittel zu sozialen Themen.

Geradezu absurd ist auch diese Situation: Im Systems der Medien herrscht ein Überfluss an Anschauungsmaterial, der im Systems des Sozialen fehlt. – Doch auch dies kann geändert werden. Das System des Sozialen, die Institutionen und Organisationen, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter müssen auf die  Massenmedien und die Audiovision Einfluss nehmen, sie zu ihren Gunsten nutzen.

Ich fordere  für die Zukunft Medien-Sozialarbeiterinnen und -Sozialarbeiter beim Empfänger, die das Angebot der Medien mit ihren Aussagen über die direkten Empfänger an die soziale Welt weitergeben!

4. Lösungen

Wenn die beiden Systeme einander näher kommen, wenn deren Vertreter sich gegenseitig zur Kenntnis nehmen und respektieren, sich verstehen lernen, sich gegenseitig «in die Hände spielen», dann wäre das für viele ein Gewinn.

Auf diese Weise wird Energie gespart, werden Ressourcen genutzt. Es kommt zu Synergien. Es kann ökologischer, d.h. für das Ganze sparsamer und von Vorteil werden.

Unser Anliegen ist verwandt jenem, das Christian Doelker schon 1983 gefordert hat, als er ein «Archiv der audiovisuellen Kultur» gefordert hat. Es ist auch verwandt dem Anliegen, das Alex Bänninger 1991 in seinem Aufruf zur Rettung wertvoller Ton- und Bilddokumente gefordert hat. Unser Anliegen ergänzt diese kulturschützerischen Ansätze mit einem utilitaristischen Akzent. Hoffentlich haben auch diese drei verschiedenen Ansätze eine Synergiewirkung.