Non-Profit heisst nicht Non-Profi

Vor Jahren hat Lukas Mühlemann einen denkwürdigen Artikel im «Magazin» veröffentlicht, in dem er die Politik und die Einrichtungen der Politik, des Sozialen und der Schule auffordert, den Gesetzen der Wirtschaft zu folgen. Schon damals wurde das Pamphlet zu Recht kritisiert. Spätestens seit den Debakeln rund um die Swissair wurde eine breite Öffentlichkeit gewahr, welche Dummheiten sich die Topshots der Wirtschaft oft leisten. Dass sie nicht als Vorbild taugen, dass die Non-Profit-Organisationen (NPO) anderswo ihre Vorbild herholen müssen.

Doch immer noch beten die Politiker, die Sozialen und die Pädagogen es vor sich hin. Immer noch wird ihnen von teuer bezahlten Beratern, Teamentwicklern dieses Minderwertigkeitsgefühl eingepflanzt. Ich bin da anderer Meinung. In vielen Non-Profit-Organisationen geschieht ausgezeichnete Arbeit, nach Innen und nach Aussen. Im Kleinen und Verborgenen geschieht viel Gutes, allzu oft – das muss unumwunden zugegeben werden – viel zu bescheiden, zu leise, kaum vernehmbar.

Die Literatur über Management, über Führung, über Public Relations für Profit-Organisationen ist fast unendlich, auch wenn darin immer wieder das Gleiche mit denselben Worten wiederholt, wenn immer wieder alter Wein in neuen Schläuchen angeboten wird. Und in ihren Kursen erlebt man, dass auch bei den Profit-Organisationen nur mit Wasser gekocht wird. Nur viel teurer sind sie und viel hochgestochener kommen ihre Referenten daher.

In den letzten Jahren begannen die Vertreterinnen und Vertreter der NPOs immer mehr sich intern und extern zu schulen. Seit neuester Zeit übernehmen auch die Fachhochschulen für Soziale Arbeit oder für Pädagogik solche Aufgaben. Die Weiterbildung in Human Relations und Public Relations fusst in diesen Kreisen auf den Fundamenten der (Humantischen) Psychologie, der Didaktik, der Psychologie, der Pädagogik, der Handlungslehre, der Soziologie usw., Disziplinen, in denen sich die Studierenden für Soziale Arbeit und Pädagogik daheim fühlen.

In Haupt- und in Nebensätzen denken

Diese Arbeit zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie je länger je mehr auf kritische Distanz zu den gängigen Theorien der Wirtschaftsexperten gehen und aus den eigenen Grundlagen der Sozialen Arbeit und der Pädagogik schöpfen.

Eine Überraschung erlebte ich, als ich vor Jahren bekannte Managerliteratur durchblätterte und dabei feststellte, dass die meisten Aussagen auf nichts anderem als den alten Theorien der Humanistischen Psychologie oder des ersten Semesters Wirtschaftswissenschaft beruhen. Die Managerliteratur unterscheidet sich von den Grundlagenwerken der Psychologie der Siebzigerjahre lediglich dadurch, dass jene vor allem in Hauptsätzen, diese zusätzlich in Nebensätze spricht.

Seit mehr als zwanzig Jahren habe ich erlebt, wie die in der Sozialen Arbeit und in der Schule Tätigen verunsichert wurden, bis ihr Selbstwertgefühl schwand. Eine gute Voraussetzung, dass sie sich damals Hals über Kopf die Sprache und damit auch die Ideologie der äusserst selbstsicher daherkommenden Wirtschaftslehrer übernahmen. In der Zwischenzeit hat sich dies etwas verändert, haben die in Non-Profit-Organisatonen Arbeitenden ihre Selbstsicherheit etwas zurückgewonnen.

«Do it!»

Was zugegebenermassen immer noch fehlt, ist die Selbstverständlichkeit, die Entschiedenheit und Grosszügigkeit. Oft bleibt es beim frommen Wunsch, bei der Absicht, beim Beginn, dem kein Abschluss folgt. Weiter fehlt es bei den Mitteln. Doch diese werden nicht zuletzt gerade von jenen, die in der Wirtschaft grosszügig darüber verfügen, im Sozialen gestrichen. Bei den NPOs könne man ruhig sparen, heisst es noch zu oft. Dem muss vermehrt und vereint entgegen gehalten werden, was Jerry Rubin bereits mit dem Titel seines Kultbuches der 68er-Generation fordert: «Do it!»

Es würde mir nicht schwer fallen, in einem Kindergarten den Managern zu zeigen, was zwischenmenschliche Prozesse sind, wie Menschen funktionieren, wie Schulung und Bildung ermöglicht oder verhindert wird. Ich meine, dass  das, was hier bei den am schlechtesten bezahlten «Mägden» der Non-Profit-Einrichtung Kindergarten geschieht, die meisten Manager beschämen würde. Je höher die Schulstufe - vom Kindergarten bis zur Universität -, desto schlechter ihre Didaktik, Pädagogik, Psychologie, stellte ich vor mehr als zwanzig Jahren fest und erhalte leider auch heute immer wieder Bestätigung für diese These.

Es geht mir nicht darum, das ganze Gebäude von Bildung und Weiterbildung im Profit-Bereich zu verteufeln, lediglich zu relativieren. Ich denke, Herr Mühlemann hat damals recht «fachidiotisch» gehandelt, als er sich gemüssigt fühlte, die Politik und die NPOs zu kritisieren und ihnen die Wirtschaft als Vorbild gegenüber zu stellen. («Fachidiot» nannte Martin Schaub einen «Spezialisten ohne Horizont», von denen es doch von Jahr zu Jahr mehr gibt.)