ISF: Vor allem eine Frage der Persönlichkeit und Haltung

Leserbrief vom 25.8. 2006 zum AZ-Artikel vom 16. 8. 2006 «Hier muss keiner sitzen bleiben»

Etwas einseitig und tendenziös empfand ich den Artikel von Philip Gehri über die Integrative Schule (ISF) in Birmensdorf. Er hat mich zu ein paar Anmerkungen provoziert.

Im Beitrag heisst es unter anderem, dass in dieser Schule kein Schüler abgestempelt werde. Dem möchte ich die Erfahrung entgegenhalten, dass auch in Schulen ohne ISF die Kinder nicht abgestempelt werden müssen. Das ist für mich keine Frage des Schulsystems, sondern der Schulkultur. Die integrative Schule sei individueller, was allen nütze, es werden individuelle Förderpläne erstellt, die für die Motivation besser seien, schreibt der Autor weiter. Dem ist beizufügen, dass Individualisierung auch in den mehr als 184 «normalen» Schulen, nicht nur in den 14 ISF-Schulen möglich ist und meist auch praktiziert wird. Wiederholen einer Klasse mache meist sowieso keinen Sinn, wird schliesslich behauptet. Dies kann in Einzelfällen sicher zutreffen, von einer Pauschalisierung möchte ich indes absehen.

«Integration» – ein schönes Wort!

Ich glaube, der Begriff «Integration» und die oft hitzige Diskussion über ISF ist unter anderem auch eine Frage der Semantik, der Bedeutung der Wörter. Zweifelsohne tönt «Integration» gut, «Separation» schlecht. Doch meine ich, ist eine integrative Haltung auch in einer Schule mit Sonderklasse möglich – genau so wie eine separierende Haltung in einer integrativen Schule. Als ausgegrenzt kann sich ein Kind auch durch ISF-Sonderbehandlungen erleben, als integriert durch die richtige Platzierung in einer Sonderklasse.

Da bleibt noch die Begründung von Bildungsdirektor Rainer Huber: «Alle Erfahrungen und Studien haben gezeigt, dass integrierter Unterricht besser funktioniert.» Das Argument «alle Erfahrungen» darf wohl aus der Sicht vieler Schulen mit Sonderschulen mit Fug und Recht angezweifelt werden. Und den Einwand «alle Studien» sollte man tunlichst hinterfragen, will man nicht der gängigen Wissenschaftsgläubigkeit im pädagogischen und sozialen Bereich verfallen.

ISF ja oder nein? Das ist für mich, wie fast alles in der Erziehung, in erster Linie eine Frage der Persönlichkeit und Haltung der Lehrkraft, erst in zweiter Linie eine Frage des Schulsystems.