Alafenisch, Salim: Die Nacht der Wünsche
Glücklich, wer von Allah gesegnet, drei Wünsche frei hat. Glücklich, wem als mächtigem Sultan zwar vorerst das Glück verwehrt bleibt, als ihm mit seiner jüngsten Haremsdame auf dem Lager ein Schwächeanfall die Liebeslust vertreibt, die schöne und kluge Zahra ihn aber nicht tadelt, sondern mit Märchen beglückt. Eines schält sich aus dem andern und alle miteinander werden zu einer Erzählkaskade.
Bei wem ausser bei Salim Alafenisch, dem heute 64-jährigen Sohn eines Scheichs aus dem Negev, ist eine solche Geschichte möglich? Bei ihm schlüpfen Menschen in Geschichten und kriechen am Ende als Tiere heraus und verwandeln sich Kamele in Äpfel oder Menschen und ist alles eingehüllt in die Nacht der Wünsche und überspannt vom Sternenhimmel. «Die Nacht der Wünsche wird in Allahs Heiligem Buch erwähnt. Sie ereignet sich nur im Fastenmonat Ramadan, in dem die Gläubigen von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang fasten. Der Tag wird zur Nacht und die Nacht zum Tag. Wer von der Nacht der Wünsche gesegnet wird, hat drei Wünsche frei, die ihm Allah erfüllen wird, und in dieser Nacht sieht er die Welt verkehrt: Alles steht auf dem Kopf.» So beginnt nach dem Prolog mit dem Sultan die erste Geschichte.
Alafenisch erzählt wie immer meisterhaft und in bester orientalischer Tradition. So plastisch und farbig, dass man die Kamele und die Schafe zu riechen meint. Seine Geschichten sind manchmal ein bisschen wahr, manchmal sehr wahr, immer aber wahr wie die Träume. Obwohl er bei seinen Auftritten nicht nur liest, sondern auch gern erzählt, betont er, wie wichtig ihm die Bücher sind: «Wer liest, lebt zweimal, ohne zweimal zu sterben.» Und bei uns kommt irgend einmal bei der Lektüre oder bei der Lesung der Augenblick, in dem wir uns nicht mehr wehren können und weggefegt werden ins Reich von 1001 Nacht.
Alafenisch, Salim: Die Nacht der Wünsche. Unionsverlag, Zürich 2011, 278 Seiten
Nachbemerkung: Salim Alafenisch erzählt und liest beim Diwan der Kinderhilfe Bethlehem am 3. Mai 2012 in Luzern.