Beatrice Guelpa: Aphrodite in Gaza

Zu Beginn der Lektüre erscheint einem dieses Buch vielleicht etwas kurios, abgehoben und gewöhnungsbedürftig. Da entdeckt ein Bauunternehmer ausserordentliche archäologische Schätze in seiner Heimat: eine wunderbare Aphrodite und einige weitere wertvolle Werke aus dem 4. bis 2. Jahrhundert vor Christus. Diese zeugen von einer blühenden Hochkultur in der im Altertum bedeutenden, heute unter der Besatzung leidenden Stadt Gaza. Jawdat Khudary, so sein Name, entwickelt sich dabei zum Sammler und Hobbyarchäologen. Mit seinem Einsatz will er die Kunst für seine und alle künftigen Kinder Palästinas erhalten und dafür in Gaza ein Museum bauen und im Ausland Ausstellungen organisieren. Da gibt es aber Schwierigkeiten mit den Besatzern. Eine schweizerische Organisation erschafft mit Unterstützung von Micheline Calmy-Rey eine Plattform und organisiert in Genf eine erste Ausstellung, zu deren Eröffnung am 26. April 2007 auch Mahmud Abbas anreist. Dann verbietet Israel die Wiedereinfuhr der Werke, weshalb sie noch heute in einem Schweizer Zollfreilager stehen. Interessant und alles andere als abgehoben wird das Buch jedoch schon nach wenigen Kapiteln. Der Autorin Beatrice Guelpa gelingt es nämlich, am Beispiel dieses Kultur-Events die Geschichte Gazas während des letzten Jahrzehnts informativ und persönlich aufzurollen: 2004 werden unter Ariel Sharon 9000 israelische Siedler evakuiert. 2006 finden die palästinensischen Wahlen mit einem Sieg der Hamas statt. Im gleichen Jahr wird das Museum eröffnet und überlebt, wenn auch beschädigt, die Operation «Gegossenes Blei», bei welcher in drei Wochen 1330 Menschen, darunter 437 Kinder, sterben.

Das Buch ist ein beeindruckendes Dokument des Aufbäumens der Bevölkerung des Gazastreifens gegen die Machenschaften der Besatzer, die den Palästinenser seit 1948 ständig weiteres Land wegnehmen, mit der Umbenennung von Ortschaften und Landkarten ihnen ihre Sprache rauben und nun auch noch versuchen, dem bestohlenen Volk seine Geschichte zu vernichten.

Beatrice Guelpa: Aphrodite in Gaza. Ein aus dem Sand aufgetauchtes Museum. Zambon Verlag, Frankfurt a. M. 2011.124 Seiten