Die Mauer. Niemandsland Palästina

Walter Benjamin soll mal gesagt haben, die Architektur sei das wichtigste Massenmedium. Wenn dem so ist, lohnt es sich, eines der heute folgenschwersten und bedeutendsten architektonischen Werke etwas genauer zu betrachten: die seit Juni 2002 im Bau befindliche, teilweise acht Meter hohe Mauer in der Westbank, die Trennmauer zwischen Israelis und Arabern.

Am 25. April 2006 waren davon 335 Kilometer fertig erstellt und 245 Kilometer im Bau. Sie hat heute, aber auch in der nahen Zukunft eine enorme Bedeutung für das Leben der Menschen in diesem Land. Und sie stellt gleichzeitig ein Symbol, ein Sinnbild für eine bestimmte menschliche Haltung dar, das zu betrachten und zu deuten die Nummer 769 der Kulturzeitschrift «du» versucht.

Vier Frauen – zwei Palästinenserinnen und zwei Israelinnen – erzählen in ihren Textbeiträgen vom Leben mit der Mauer aus ihrer je eigenen Perspektive. In den aufklärenden und zum Teil erschütternden Berichten wird die Mauer als unmenschlicher Bestandteil des täglichen Lebens geschildert. Da wird erkennbar, wie tief die seelischen Wunden sind, welche diese Sperranlage bei den Menschen, die dort leben, hinterlässt. Die eindrücklichen Fotografien von Kai Wiedenhöfer lassen uns etwas davon spüren.

Anregend und als Ergänzung dazu gedacht sind die Kurzbeiträge über weitere Mauern in andern Ländern und aus andern Zeiten: den Limes, die Berliner Mauer, die Mauer gegen Mexiko, das Warschauer Ghetto, die Stadtmauern alter Kulturen, Troja, die Chinesische Mauer usw. Aufschlussreich und erhellend wie ein kleines Nachschlagewerk dienen die «Stichworte zum Nahostkonflikt» von Nicola Steiner.

du: Die Mauer, Niemandsland Palästina, Zeitschrift für Kultur, Nr. 8, September 2006