Edlinger, Fritz (Hg.): Palästina – Hundert Jahre leere Versprechen. Geschichte eines Weltkonflikts *

Am 2. November 1917 erklärte der britische Aussenminister Arthur James Balfour, in Palästina eine Heimstätte für das jüdische Volk errichten zu wollen. Er nahm damit einen genau 20 Jahre zuvor auf dem zionistischen Weltkongress in Basel entwickelten Vorschlag auf. – Edlinger beschreibt mit Texten von 12 weiteren Autoren den aktuellen Stand der Diskussion um Israel/Palästina.

Zweistaaten Lösung

Die Balfour-Erklärung ist eine bedeutsame weltpolitische Zäsur, die den Nahen Osten seither nicht zur Ruhe kommen lässt und darüber hinaus ein Paradebeispiel des britischen Imperialismus darstellt. Denn zum Zeitpunkt der Erklärung war Palästina eine osmanische Provinz, die erst erobert werden musste. Den 100. Jahrestag dieser Verbindung aus britischem Weltmachtstreben und Zionismus nimmt der Herausgeber Fritz Edlinger zum Anlass, einerseits die gegebenen Versprechen und die vergebenen Chancen der seither verstrichenen Jahrzehnte zu analysieren und andererseits aktuelle Lösungsmodelle für den israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt zu präsentieren.

Erinnerungspunkte, die im Buch behandelt werden, sind der UN-Teilungsplan von 1947, der eine Wirtschaftsunion zwischen Palästina und Israel vorsah, der 50. Jahrestag der Besatzung 1967, als Israel im Sechs-Tage-Krieg die Westbank, Ostjerusalem, Gaza, Golan und die später an Ägypten zurückgegebene Sinai-Halbinsel eroberte, sowie der «Krieg der Steine», wie die erste Intifada von 1987 genannt wird. Thematisch ist der Band in drei Teile untergliedert: die internationale, geopolitische Dimension des Konflikts, die immer wieder torpedierten Bemühungen um Frieden sowie die aktuellen Debatten um Ein- oder Zwei-Staaten-Lösung, den Zionismus als Apartheidregime und das Ringen um Alternativen zu festgefahrenen Diskursen. Eine neue weltweite Solidaritätsbewegung mit den Palästinenserinnen und Palästinensern wie auch die BDS-Bewegung haben insbesondere im deutschsprachigen Raum Schwierigkeiten, sich frei zu artikulieren, werden oft mit der Antisemitismus-Keule erledigt.

«Palästina – Hundert Jahre leere Versprechen» ist ein Buch, das gut lesbar, spannend und faktenreich informiert. Nach einer hilfreichen Einführung von Fritz Edlinger zoomt Petra Wild in den Beiträgen «Vom Basler Kongress 1897 bis zur Balfour-Deklaration 1917: Die Anfänge des Zionismus» und «Geschichte der Besatzung der Westbank und des Gazastreifens» näher an die Problematiken. Roger Heacocks Rückblick ergänzt dies mit «Revolte auf lange Sicht: Intifada». Klärend dazu liefert Tariq Danas mit «Zwei gegensätzliche Versionen von Zivilgesellschaft» und Nur Arafeh mit «50 Jahre koloniales Wirtschaftsverhältnis». Mit «BDS für Menschenrecht: Die Köpfe dekolonisieren» schafft Omar Barghouti Rechtssicherheit beim Thema «Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen». «Es ist Zauberei!» von Miko Peled räumt mit verbreiteten Behauptungen der Israelis auf und schreibt, was gemacht werden müsste. Mit «Beendigung der Apartheid: Der einzige Weg zum Frieden» liefert Richard Falk Klärung des aktuellen Themas. Die Einflüsse der Weltmächte auf den Konfliktherd beschreiben Rashid Khalidi in «Der israelisch-amerikanische Würgegriff auf Palästina», Vijay Prashad in «Russland und der Israel-Palästina-Konflikt» und Salah Abdel Shafi in «Player statt Payer: Die Rolle der Europäischen Union». In «Israel- und Zionismus-Kritik als "neuer" Antisemitismus» analysiert Ludwig Watzal eine aktuelle Debatte. Nasser al-Kidwa referiert in «Die Krise und der Weg zum Sieg» zehn etwas selbstverständliche Punkte. – Der wertvolle und nützliche Band wird abgeschlossen mit einer Zeittafel von 1880 bis 14. 7. 2017, einer Bibliografie und der Vorstellung der Autoren.

Edlinger, Fritz (Hg.): Palästina – Hundert Jahre leere Versprechen. Geschichte eines Weltkonflikts. Promedia, Wien 2017, 203 Seiten