Fried, Erich: Höre Israel

Erich Fried (1921 – 1988) gilt neben Hans Magnus Enzensberger als Hauptvertreter der politischen Lyrik im Nachkriegs-Deutschland. Er mischte sich in die Politik seiner Zeit ein, hielt Vorträge, nahm an Demonstrationen teil und vertrat öffentlich kritische linke Positionen der Apo. Im Konflikt zwischen Israel und Palästina hat er sich mit Leidenschaft für Recht und Gerechtigkeit eingesetzt und den Israelis wie ein biblischer Prophet die Leviten gelesen. Weshalb er auch von jüdisch-zionistischen Kreisen diffamiert und als «selbsthassender» Jude tituliert wurde. Jedes der fünf Kapitel des Bandes wird mit einem Bild aus dem Dritten Reich und einem aus dem besetzten Palästina eingeleitet. Ein Teil der hier vereinten Gedichte, 1974 erstmals erschienen, thematisiert die Parallelen zwischen der Holocaust der Juden und der Vertreibung der Palästinenser seit der Nakba. «Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt», dieses Fried-Zitat auf der ehemaligen Berliner Mauer, begründet sein Engagement.  

«Gefundene Texte» betitelt Fried fremde Texte, die er ohne Veränderung übernimmt, sie lediglich in Verszeilen zerlegt, dass man beim Lesen besser sieht, was da in Wirklichkeit steht. Es sind dies Text von Theodor Herzl, Max Nordau, Otto Warburg, Martin Buber, Golda Meir und andern. (Eine Methode, die, unabhängig von diesem Buch und diesem Inhalt, höchst empfehlenswert ist zum besseren Versehen von Texten.

erich-fried1.jpg/@@images/image/large

Nachfolgend drei Ausschnitte aus drei Gedichten:

«Ein Jude an die zionistischen Kämpfer»
«Wollt jetzt wirklich ihr die neue Gestapo sein
die neue Wehrmacht
die neue SA und SS
und aus den Palästinensern
die neuen Juden machen?»

«Eure Toten»
«Eure Toten sind übergegangen zu uns
Opfer zu Opfern
Verfolgte zu Verfolgten
denn die Ermordeten sind der Ermordeten Brüder und Schwestern
und nicht die der Mörder»

«Worauf es ankommt»
«Es kommt nicht darauf an
was man ist
Moslem, Christ, Jude, Freigeist:
Ein Mensch
der ein Mensch ist
Kann nicht schweigen
zu dem was geschieht»

Mit «Höre Israel» sucht Erich Fried – neben dem Erlebnisbericht und dem Wissenschaftsbeitrag – einen dritten Zugang zu den nur schwer verstehbaren Zuständen und Ereignissen in Israel/Palästina: das Gedicht, diese extreme Verdichtung von Erfahrung und Analyse, das zum allgemeingültigen Symbol wird.

Erich Fried: Höre Israel. Gedichte gegen das Unrecht. Melzer Verlag, Neu Isenburg 2010. 181 Seiten.

Erich Fried: Höre Israel. Gedichte und Fussnoten. 2 CD mit dem leicht gekürztem und neu geordnetem Inhalt des Buches, gelesen von Beate Himmelstoss und Jürgen Jung, Musik Baher al-Regeb (Qanoun) und Ghidian Qaimari (Oud). Melzer Verlag.