Fraenkel, Carlos: Mit Platon in Palästina. Vom Nutzen der Philosophie in einer zerrissenen Welt

Kann Philosophie die Welt retten? Kennt sie Rezepte gegen Krieg, Armut, Ungerechtigkeit und Fanatismus?

tvprogramm.srf.ch 
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«Der Philosoph und Publizist Carlos Fraenkel hat mit Studenten in aller Welt über die grundsätzlichen Fragen unseres Lebens diskutiert. Die kulturellen und religiösen Gegensätze bleiben bestehen, aber die Philosophie zeigt Wege, wie man Überzeugungen und Argumente vernünftig austauschen kann – eine Chance, dem Teufelskreis aus Sprachlosigkeit und Gewalt zu entkommen.» So stellt der Verlag das Buch vor. Ergänzt wird dies mit einem Satz aus «The Independent»: «Wenn Sie dieses Jahr nur ein Buch lesen wollen – dann lesen Sie dieses.»

Der Empfehlung der britischen Tageszeitung widerspreche ich vehement: Es gibt zahllose Bücher, die zu lesen, sich viel mehr lohnt als «Mit Platon in Palästina». Zu den einleitenden Fragen: Die Philosophie, die Fraenkel vorträgt oder vom Publikum seiner Workshops vortragen lässt, kann die Welt nicht retten, sie bietet keine wirksamen Rezepte gegen Krieg, Armut, Ungerechtigkeit und Fanatismus. Ebenso nicht die Verweise auf die Philosophen des Altertums und der Klassik, mit denen Fraenkel beweist, wie belesen er ist. Besonders im ersten Teil sehen wir vor lauter Wald die Bäume nicht. Wir werden überschüttet von Namen, Sachen, Verweisen und Zitaten.

Indem der Autor immer wieder «Debattierkultur», gelegentlich auch «Streitkultur», fordert, wiederholt er lediglich, was Psychologen, Soziologen und Pädagogen, Theoretiker wie Praktiker, in konkreten Konzepten und kleinen und grossen Projekten in den letzten Jahrzehnten vorgeschlagen und realisiert haben: in Kindergärten, in Schulen, in der Erwachsenenbildung und der Sozialarbeit und der Politik. Ob «aus der Tiefe der Geschichte» nun Platon, Sokrates, Aristoteles, Maimonides, Averroes, al Gazali, al-Farabi, Averroes, Nietzsche, Kant oder John Stuart Mill Ähnliches oder Gleichen schon mal gedacht und gesagt haben wie die Denker und Macher unserer Zeit, ist mir egal, hilft nicht weiter.

«Philosophisch interessant», «spannend», «erstaunliche Erfahrung»: So beurteilt der «fliegende Professor» nach seinen fünf Workshopleiter in Ost-Jerusalem, Makassar und Brooklyn, Brasilien und Kanada. Diese schönen Erfahrungen mag ich ihm gönnen; dem Leser bringen sie jedoch wenig. Zugegeben: Da und dort findet man im Buch «en passant» ein paar interessante neue und kluge Gedanken. Einleuchtender als das Buch war für mich jedoch die «Sternstunde Philosophie» auf SF, in welcher Juri Steiner mit Carlos Fraenkel ein Gespräch führte. Die Begeisterung gewisser Rezensenten aus der Zunft der Philosophen kann ich nicht teilen. Auch nach der Lektüre dieses «gescheiten Buches» bin weiter auf der Suche, wie beispielsweise der Nahostkonflikt oder die Radikalisierung des IS gelöst respektive beendet werden kann, und suche bei und mit andern Autoren nach Antworten.

Fraenkel, Carlos: Mit Platon in Palästina. Vom Nutzen der Philosophie in einer zerrissenen Welt. Carl Hanser Verlag, München 2015. 239 Seiten