Hohler, Franz: Das Ende eines ganz normalen Tages

Franz Hohler kennen wir als einen zutiefst menschenfreundlichen Poeten, mit Texten, die die Welt verwandelt. Aus sinnlich Wahrgenommenen entsteht tiefer Sinn. Im «Normalen» des Alltags leuchtet die Sensation des Lebens auf. Und dabei ist der 67-Jährige noch immer der alte Unruhestifter, der uns seit Jahrzehnten mit klugen, aberwitzigen, bewegenden, fröhlichen, traurigen und nachdenklichen Geschichten immer wieder aus dem Gleichgewicht der Stumpfheit und Normalität wirft.

In einigen der 40 Kurz- und Kürzest-Texten begegnen wir dem Autor selbst. So erzählt einer vom Bild seiner Schwiegermutter, das im Vorraum seiner Wohnung hängt, wohin er regelmässig Blumen stellt, und sich genauso regelmäßig fragt, was eigentlich gewesen wäre, wenn diese Frau einen anderen Mann geheiratet hätte. In mehreren Beiträgen sinniert er, sich und andere beobachtend, über das Älterwerden. Oder in einer Geschichte wollen zwei Jungen, einer davon war er, den Weiher hinter ihrem Haus mit einer alten Ovomaltinebüchse leer schaufeln. Wie die Figuren anderer Geschichten müssen auch sie lernen, dass sich die Welt den Träumen und Plänen des Menschen nur allzu häufig widersetzt.

Privates und Politisches mischt sich in Hohlers Werk. So in der Titelgeschichte, in der er berichtet, wie er und die Menschen um ihn herum 9/11 erlebt haben. Oder im Text «Im gelobten Land», in dem er von der Reise nach Israel/Palästina berichtet, die er mit Parlamentariern gemacht hat. Aufschlussreich ist es, neben den Zeugnissen der Autoren vor Ort und Analysen von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen einmal einem Schriftsteller aus der Schweiz zuhören zu können, was er in Jerusalem, Bethlehem, Ramallah und Hebron gesehen, gehört und erlebt hat. Den Bericht schliesst er mit dem arabischen Sprichwort, «Die dunkelsten Stunden der Nacht sind die vor der Morgendämmerung», womit er das Konkrete wieder ins Allgemeine hebt.

Franz Hohler: Das Ende eines ganz normalen Tages. Luchterhand, München 2008. 109 Seiten