Hochstrasser, Josef: Einwurf. Jesus und Mohammed im Gespräch

1947 geboren, Studium der Philosophie und römisch-katholischen Theologie, Schweizergardist, Priesterweihe, Pfarrer in Bern, theologische Differenzen mit dem Lehramt, Heirat, Berufsverbot, Fabrikarbeiter, Erwachsenenbildner, Radiosendungen «Zum neuen Tage», Studium der reformierten Theologie, Ordination zum reformierten Pfarrer in Orpund, Lehrer für Religionswissenschaft am Gymnasium, seit 1991 publizistische Tätigkeit. Dies einige Stichworte zum Autor des Gespräches zwischen Jesus und Mohammed, zu Josef Hochstrasser.

Bei den Griechen galt der Dialog als Weg zur Weisheit; in den letzten Jahrhunderten wurde er ersetzt durch den Monolog der Bücher. Darum ist es spannend zu lesen, was herauskommt, wenn zu einem der heissesten Themen ein Gespräch stattfindet zwischen Jesus, Mohammed und einem Barkeeper im Paradies. Das Nachwort von Eduard Kaeser liefert dazu kluge, nützliche Leitplanken. Ich erlaube mir einige persönliche Einwürfe und hoffe auf gleiche köstliche Drinks.

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Das aufgeregte Gerede um das Leben nach dem Tod zum Beispiel, wie es in den Religionen zentral ist, macht mich stutzig. Ich denke, Samuel Beckett hat recht, wenn er vorschlägt, nach «dem Leben vor dem Tod» zu fragen. Ebenso das Vertrösten auf den Himmel und die Furcht vor der Hölle sind für mich suspekt. Viele der dazu gemachten Einwürfe führen, bei euch wie bei mir, direkt zu Feuerbach, dem ich zustimme, wenn er sagt, der Mensch hätte Gott, nicht Gott den Menschen erschaffen. Diese Passagen sind für mich zentral und essentiell, gewichtiger als das Geplauder über Fussball, auch wenn Jesus, sorry Franz, über Hitzfeld eine Biografie geschrieben hat. Dem Pingpong zwischen Theismus und Atheismus möchte ich gern als Drittes einen offenen, fragenden Agnostizismus beisteuern. Auch habe ich mit dem Beten Mühe, wenn der eine betet, dass seine Fussballmannschaft gewinnt, der andere, dass in Israel/Palästina endlich Friede werde. Wo soll da Gott oder Allah helfen?

Und wenn der clevere Barkeeper die Geschichte vom Paradies als Märchen bezeichnet, sollte man ihm nicht widersprechen, sondern auf die grosse Bedeutung der Märchen verweisen. Für mich persönlich ist es, neben den vielen interessanten Hinweisen auf den Humanismus in all seinen Facetten vor allem die Kunst, die mich eine Religio erleben lässt. «Le petit prince» und «La peste», die «Duineser Elegien» und «Guernica», «La strada» und «Rashomon» sind für mich Werke, die meinem Leben Sinn geben und gemäss Martin Buber zu einem Dialog einladen.

Noch einen Einwurf möchte ich machen, der eure Voten bestätigt. Erich Fromms schreibt in seinem Buch über den Ungehorsam: «Die Menschheitsgeschichte begann mit einem Akt des Ungehorsams, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie mit einem Akt des Gehorsams ihr Ende finden wird.» Und zum Schluss ein wunderschöner Satz von Dschelal ed-Din Rumi, dem persischen Mystiker aus dem 13. Jahrhundert: «Die Wahrheit ist ein Spiegel, der vom Himmel gefallen ist, er ist in tausend Stücke zersplittert, jeder besitzt einen kleinen Splitter und glaubt, die ganze Wahrheit zu besitzen.» – Während ich solch schönen Gedanken folge, höre ich aus dem Radio von Kriegen. Und was für Kriege sind das? Religionskriege! Ich denke, das gibt neue Einwände.

Gegen Ende des Gespräches mit den prominenten Gästen habe ich gelegentlich das Gefühl, dass ihr durch die vielen Drinks etwas benebelt, zahm und brav wurdet. Mit dieser kleinen Kritik ziehe ich mich zurück und hoffe, meine Wertschätzung für den «Einwurf», lieber Josef, ist zu spüren. Was kann ein Buch denn mehr, als dass die Leser zu Schreibern, die Hörenden zu Sprechenden werden. Danke für die Einladung zur besonderen Cocktailparty!

Hochstrasser, Josef: Einwurf. Jesus und Mohammed im Gespräch. Rüegger Verlag, Zürich 2013, 112 Seiten