Marin, Lou: Können wir den ehrlichen Dialog in den Zeiten des Misstrauens retten?

Dag Hammarskjöld und Martin Buber haben sich zwischen 1958 und 1961 dreimal getroffen, einen Briefwechsel geführt und sich angesichts verschiedener Anlässe aufeinander bezogen. Buber entwickelte seine Philosophie des Dialogs für den nicht staatlichen, gesellschaftlichen Bereich. Hammarskjöld, der zweite Generalsekretär der Vereinten Nationen, wollte Bubers Dialogkonzept für die Verfeinerung seiner «vertraulichen Diplomatie» nutzen,  dies in einer Zeit, als in den Vereinten Nationen durch den Kalten Krieg eine Atmosphäre des allgemeinen Misstrauens herrschte.

Dieses Buch berichtet nur im Hintergrund von gesellschaftlichen und politischen Ereignissen, im Vordergrund behandelt es geistesgeschichtliche, philosophische Fragen. Auf Seite 144 fasst Lou Marin das analysierte literarische Material zusammen: «Während Buber darin übereinstimmte, dass die Interpretation und Umsetzung seiner Dialogphilosophie, wie sie von Hammarskjöld als Teil von dessen „stiller Diplomatie“ aufgefasst wurde (…), dachte er selbst, wie schwierig die Anwendung des Dialogs in dieser Sphäre wirklich war und dass der ursprüngliche Erfolg der „stillen Diplomatie“ zwar auf Hammarskjölds Persönlichkeit zurückzuführen war, sich aber „nicht schlechthin“ so wiederholen liess. Buber hatte ursprünglich seine Dialogphilosophie nicht für die politische Sphäre und die dort permanent wirkenden Zwänge politischer Machtpolitik entworfen, sondern für Gruppen und Gemeinschaften, die integrale Bestandteile der Gesellschaft bildeten und sich gerade gegen eine Politisierung – und damit einhergehend: Militarisierung – ihrer Sphäre verteidigten.»

Die von Buber entwickelte und propagierte Philosophie des Dialogs und die von Hammarskjöld versuchte Übernahme derselben in die Politik respektive Diplomatie bilden – wie eine Folie – ein Thema im Israel-Palästina-Diskurs. Buber ging es um den offenen, Hammarskjöld den zielgerichteten Dialog: Und damit sind es zwei Denkmodelle, die sich «per definitionem» und «realiter» nicht vereinbaren lassen. Ich habe das Gefühl, dass die «No-Go»-Aussage dieses Buches auch beispielsweise die Analyse in Shelley Berlowitz‘ «Die Erfahrung der Anderen. Konfliktstoff im palästinensisch-israelischen Dialog» weiterführen könnte und schliesslich zu einem negativen Schluss bringen würde.

Marin, Lou: Können wir den ehrlichen Dialog in den Zeiten des Misstrauens retten? Die Begegnung zwischen Dag Hammarskjöld und Martin Buber. Zambon Verlag, Frankfurt a. M. 2012, 159 Seiten