Liftenegger, Mario: Zaun oder Mauer

Die Frage, ob im August 2002 in Palästina der Bau einer «Mauer», eines «Zaunes», eines «Sperrwalls», eines «Sichereinrichtung» oder einer «Apartheidsmauer» begonnen wurde, wird immer wieder neu zu beantwortet. Mario Liftenegger geht dieser Frage in seiner Diplomarbeit an der Universität Graz mit grosser Seriosität und Wissenschaftlichkeit nach. Deren Lektüre bietet – sobald man die Orthografiefehler des Einleitungsgedichtes weggesteckt hat – viel Interessantes zum Thema im engeren und im weiteren Sinn. Ob sich bestimmte terminologische Beschreibungen dezidiert einem Kollektiv zuordnen lassen oder ob der Gebrauch von bestimmten Begriffen auch über Kollektivgrenzen hinweg erfolgt, ist die Kernfrage der Untersuchung.

Im ersten Teil gibt Liftenegger einen historischen Überblick über das Land von der Steinzeit bis zum Waffenstillstand nach dem zweiten Libanonkrieg und den nachfolgenden israelischen Parlamentswahren. Im Hauptteil vergleicht er die unterschiedlichen Darstellungsformen des «Sperrwalls» in den israelischen und palästinensischen Printmedien «Haaretz», «Jerusalem Post», «The Palestine Chronicle» und «The Palestin Information Center», in deren englischen Ausgaben, während des Mauerbaus in Qalqilya, Tulkarem, Abu Dis, Ariel und Elkana. Die Schlussfolgerungen geben, in meinen Augen, viel und wenig zugleich. Viel: Sie zeigen die Komplexität des Schreibprozesses und des darzustellenden Gegenstandes, der Mauer. Wenig: Bedenkt man die grundsätzliche Fragwürdigkeit des Objektivitäts-Anspruchs in den Medien, entsprechen die Ergebnisse etwa dem, was man auch vor dieser Arbeit schon wusste. Doch die Lektüre des aufbereiteten Materials kann bei Interessierten eine höchst fruchtbare Sensibilisierung bewirken über das, was um Umfeld des Mauerbaus realiter geschehen ist, und was man medial damit gemacht hat. Analog zu den Ergebnissen der Analyse der vier Zeitungen folgen anschliessend die Resultate des Kapitels über arabische, israelische und internationale Karikaturen.

Nützlich sind in diesem Buch auch die Berichte über das Wachsen der Mauer und die Folgen für die Bevölkerung an den verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten, was ich bisher nirgends ähnlich kompakt und ausführlich gefunden habe. Brauchbar sind auch die Grafiken im Anhang, obwohl ich sie mir etwas grösser gewünscht hätte, das Glossar, welches zu allen erwähnten Personen wichtige Informationen bietet, und das für eine wissenschaftliche Arbeit obligate Literaturverzeichnis.

Mario Liftenegger: Zaun oder Mauer. Analyse palästinensischer und israelischer Printmedien und Karikaturen über den Bau des «Sperrwalls» in Palästina. Grazer Universitätsverlag, Graz 2009, 213 Seiten