Für ein globalisiertes Wir

Die Abstimmung über das Asyl- und Ausländergesetzt vom vergangenen November wie unzählige andere Entscheide wirken nachhaltig und werden von einem nachhaltigen Ereignis bestimmt. Sie weisen auf etwas, das unser Jahrhundert radikal verändern dürfte: die Völkerwanderung von Süden nach Norden, von Osten nach Westen, von der dritten in die erste Welt – von der Armut in den Reichtum.

Unterbinden kann – und darf! – diese niemand. Verdrängen und nicht wahrhaben vermag man sie bloss, indem man sich auf die Vergangenheit fixiert, sich darin einigelt. Doch die Welt dreht sich vorwärts, niemals rückwärts.

Die selbstverständliche Völkerwanderung

Die Zukunft können wir - in beschränktem Rahmen - mitgestalten: so oder so. Doch es gilt mitzuhelfen, diesen epochalen Prozess so gut wie möglich, für viele Menschen menschlich ablaufen zu lassen, im Grossen wie im Kleinen.

Diese Völkerwanderung ist weltgeschichtlich not-wenig, sie will die Not eines Grossteils der Menschheit wenden. Und Not herrscht unbestreitbar im grössten Teil der Welt. Nur auf kleinen Inseln, wie bei uns, gibt es Wohlstand und Überfluss – auf Kosten anderer.

Die Selbstregulierung

Gleichgewicht und Ausgleich schafft die Physik – und die Geschichte. Dass von dort, wo es zu viele Güter hat, davon genommen, und dorthin, wo es zu wenig davon hat, verschoben wird, ist logisch und psychologisch selbstverständlich. Dies geschieht «normalerweise» in Kriegen oder künftig mit dem weltweit agierenden Terror, dessen Vorspiele wir erleben.

Dass Krieg und Terror Menschen töten und anderen Leid bringen, liegt auf der Hand. Direkt bei einem konventionellen oder nuklearen Krieg, indirekt beispielsweise wenn wir der Dritten Welt die fürs Überleben wichtige Medikamente vorenthalten oder ihr den Zugang zu den Informationsnetzen nicht ermöglichen. Es ist also für unser aller Leben nicht mehr als vernünftig, das Problem der Völkerwanderung lösen zu versuchen. «Alles Leben ist Problemlösen», meint Karl Popper. Aber wie? Das ist die Frage.

Unser Wir neu definieren

Mir scheint der Kern des anstehenden Problems beginnt beim kleinen Wörtchen «Wir». Wir gehen in unserem kleinen Alltag und in der grossen Politik meist von einem falschen Wir aus. Wer sind wir denn aber wirklich?

Angesicht einer neuen, globalisierten Welt gilt es, auch dieses Wir neu zu definieren, zu «globalisieren». Es kann heute doch nicht mehr das alte Wir unserer abgeschlossenen trauten Familie, unserer fein säuberlich geordneten Gemeinde, unserer relativ gut funktionierenden Schweiz sein, wo es uns immer noch besser gehen muss und wir immer noch mehr Geld verdienen müssen, Material anhäufen und Ressourcen verbrauchen müssen.

Die Globalisierung vermenschlichen

Es braucht, so scheint mir, ein neues, durch die Globalisierung ausgeweitetes, humanes und solidarisches Wir. Denn wir sind immer Teil eines Ganzen, des ganzen Globus, wie es von der Wirtschaft stets gedacht wird. Begründen können wir dies mit dem Gebot der Nächstenliebe, mit Moses' Gesetzestafeln, Mohammeds Worten, den Postulaten der Französischen Revolution, der Brüderlichkeit des Sozialismus oder dem Kategorischen Imperativ.