Geheimnisvoller Irrawaddy, 2. Teil
Anmerkungen und Fragen rund um Buddhismus, Mönche und Nonnen, nach einer zweiwöchigen Burma-Reise auf dem Irrawaddy von Rangun nach Mandalay.
«Schon aus der Luft wirkt Myanmar eher still und naturbelassen. Es sind kaum geordnete Strukturen auszumachen, keine grossen Verkehrsadern, keine Felder mit geraden Begrenzungslinien, stattdessen wirkt alles ungeplant und wild gewachsen. Mittendrin leuchten überall die solitär stehenden, gold- und weissfarbenen Pagoden wie Sender in den Himmel, die wohl eine Verbindung zwischen Gott und den Menschen herstellen sollen.» Soweit der Geologe und Psychologe Peter Schmidt. Er spricht aus, was auch ich auf der Reise mit der RV Thurgau Exotic in Myanmar erlebt habe und wovon mir noch Monate später ein besonderes Gefühl für Religiosität dieses Volkes geblieben ist, welches sich anders anfühlt als Christentum, Judentum oder Islam.
Mönche und Nonnen
Man nimmt an, dass es in Myanmar etwa 500‘000 Mönche und 30‘000 Nonnen gibt. Die Mönche prägen vor allem in den Dörfern das Bild der Öffentlichkeit, indem sie von Haus zu Haus ziehen und das bereitgestellte Essen abholen, ins Kloster bringen, wo es neu verteilt wird. Die Mönche erhalten es gekocht, die Nonnen ungekocht.
Neben dem Respekt vor dieser Religiosität tauchen nachträglich aber auch kritische Fragen auf: Übernehmen die Mönche stellvertretend für die anderen den religiösen Part ihrer Gesellschaft? Beuten sie mit ihrem Verhalten nicht vielleicht die Armen aus? Welche Wirkung zeitigt dieser allgegenwärtige Buddhismus in der Politik? Jeder männliche Bewohner von Myanmar geht mindestens zweimal im Leben in ein Kloster, das erste Mal im Alter zwischen fünf und fünfzehn, das zweite Mal nach zwanzig, für eine bestimmte Zeit oder das ganze Leben. Doch Mönche sind, wie in letzter Zeit die Medien berichtet haben, nicht nur fromm und religiös, sondern auch militant und rassistisch, was einem das Urteilen erschwert.
Eine Religiosität, die das Leben umfasst
Wenn ein Jugendlicher oder Erwachsener sich entschliesst – oder von den Eltern dazu gedrängt wird, Mönch zu werden, versteht man das als Geschenk, den Entscheid dazu als Gang in Buddhas Fussstapfen. Nach einem Umzug im Dorf werden die Novizen ins Kloster gebracht, wo ihnen der Kopf kahl geschoren wird. Mindestens sieben Tage, oft länger, selten das ganze Leben bleiben sie im Kloster. Mönche und Nonnen besitzen wenig: ein Gewand, Sandalen, eine Sammelschale, einen Fächer und Lackschirm.
gross
Immer wieder bieten sich auf der Reise Gelegenheiten, die zauberhaften Landschaften aus dem fahrenden Schiff zu betrachten: Seelenlandschaften einer fremden Spiritualität. An den Ufern des Irrawaddy dehnt sich das Land flach oder leicht hügelig, ruhig und beruhigend aus. Im Norden und Osten, etwa im Gebiet des Inle-Sees, wohin man im Anschluss an die Schifffahrt fliegen kann, wird es mehrheitlich gebirgig und rau. «Mingalaba» (Guten Morgen, Hallo, Guten Abend) tönt es wie ein Refrain vor und nach jedem Ausflug.
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Im birmanischen Denken ist der Glaube tief verwurzelt, dass die Menschen als persönliche Schicksalsschläge und kollektiv Naturkatastrophen ernten, was sie früher gesät haben. Wer arm oder verkrüppelt ist, hat dies dem schlechten Handeln im früheren Leben zuzuschreiben. Das Gleiche gilt umgekehrt auch bei gutem Vorleben. Zu den guten Werken gehören der Bau von Pagoden und der Unterhalt von Klöstern. Solche Spenden gelten als Statussymbole reicher Buddhisten. Durchschnittlich opfert jeder Burmese 10 % des Jahreseinkommens für gute Zwecke.
Besuch in zwei Klöstern
In Sagain gibt es ein berühmtes Nonnenkloster, dessen Leiterin landesweit für ihre Strenge bekannt ist. Ihre Nonnen dürfen nie mehr austreten. Zwischen drei Uhr nachts und neun Uhr abends beten sie mehrmals gemeinsam, dazwischen sammeln sie Nahrungsmittel und verrichten Hausarbeiten. Berührend war es bei unserem Besuch, den Nonnen beim Gebet direkt gegenüber gestanden zu haben. In Danbupyu erhielten wir Einlass in ein Männerkloster und konnten die Mönche bei ihrem täglichen Leben begleiten. Junge spielten oder unterhielten sich, während ein Älterer Novizen unterrichtete und ein anderer in der Küche arbeitete.
Annäherung an den Buddhismus
Der Buddhismus hat seinen Ursprung in Indien. Weltweit zählt man heute etwa 377 Millionen Anhänger, er ist, nach Christentum, Islam und Hinduismus, die viertgrösste Religion der Erde. Die Buddhisten berufen sich auf die Lehre von Siddhartha Gautama, der im 5. oder 4. Jahrhundert v. Chr. gelebt hat. Er wird als historischer Buddha bezeichnet, womit man ihn von den mythischen Buddha-Gestalten, die historisch nicht bezeugt sind, unterscheidet. «Buddha» bedeute der «Erwachte», der «Erleuchtete» und gilt ein Ehrentitel.
Die «Vier Edlen Wahrheiten» und der «Edle achtfache Pfad»
Die buddhistische Praxis und Theorie gründen auf den «Vier Edlen Wahrheiten»: Alles Dasein ist leidvoll; Ursache allen Leidens ist die Begierde; nur das Vernichten von Gier und Hass kann das Leiden überwinden; den Weg dorthin bildet der «Edle achtfache Pfad», der Weg zur Befreiung. Nach Buddhas Lehre sind alle unerleuchteten Wesen dem endlosen leidvollen Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt unterworfen. Aus diesem herauszutreten, ist das Ziel des Lebens, womit Leid und Unvollkommenheit überwunden und das Nirwana, der Zustand des Glücks erreicht wird.
Erkenne, was wirklich ist.
Der Versuch, all das Unbekannte zu verstehen, macht neugierig, weckt Staunen, aber auch Unsicherheit und Zweifel. Da Offenheit ein Ziel des Buddhismus ist, können auch wir uns ihm gegenüber leichter nähern. Obwohl wir überall Religiosität wahrnehmen, herrscht dennoch weitverbreitet ein Glaube an Geister, die Nats. Diese haben menschliche Charakterzüge und Bedürfnisse, die im Buddhismus ansonsten als unmoralisch gelten. In Puppentheatern, Tänzen und Schauspielen werden Mythen und Sagen zum Leben auferweckt und verarbeitet.