Träume verwirklichen im Circolino Pipistrello
Gut miteinander leben und sich gelegentlich Träume verwirklichen,
gehört zu einem glücklichen Leben – und somit auch zur
Sozialen Arbeit. Dies wird wichtig, wenn es um individuelle
Entwicklungen, ums Zusammenleben in Gruppen oder die Integration von
Fremden geht. Einüben können das die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer im Circolino Pipistrello.
Der Circolino Pipistrello – der grösste Mit-Spiel-Zirkus der
Schweiz – wurde 1981 von Rolf Corver von der Zürcher Schule
für Sozialarbeit als Abschlussarbeit gegründet.
Gegenwärtig engagieren sich jährlich von Januar bis November
sechzehn Pipistrelli für dieses Werk Soziokultureller Animation.
Sie arbeiten mit Kindern ab sieben Jahren, mit Menschen mit Behinderung
und mit Seniorinnen und Senioren.
Unter professioneller Leitung…
Die Pipistrelli kommen aus den verschiedensten Berufen. Aktuell gibt es
im Team unter anderem zwei Lehrerinnen, einen Sozialpädagogen und
eine Theaterpädagogin, einen Soziokulturellen Animator, eine
Bewegungspädagogin und eine Hotelfachfrau, einen Schlosser, einen
Automechaniker und eine Schreinerin, eine Offsetdruckerin, eine
Bäuerin und einen kaufmännischen Angestellten. Die
Zirkusanimation beherrschen alle, Weiterbildung machen sie im Team.
In der Regel reist der Circolino Pipistrello mit seinen Traktoren und
fünfzehn bunten Wagen am Montag in einer Gemeinde an. Dann wird
mit Hilfe der Teilnehmenden das grosse blaue Zelt aufgestellt und
eingerichtet. Am Dienstag ist Zirkussonntag. Am Mittwoch, Donnerstag
und Freitag erarbeitet man in Gruppen ein Programm nach den
Wünschen und Ideen der Teilnehmenden. Am Samstag findet die
Hauptprobe und am Sonntagnachmittag die grosse Galavorstellung statt.
Am Freitag- und/oder Samstagabend zeigen die Pipistrelli ihr eigenes
Programm, das sie unter professioneller Theater- und Musikregie
entwickelt und einstudiert haben. Das aktuelle heisst «Das Feuer
ist entfacht – ein ZuFall» und handelt von griechischen
Göttern, die versehentlich den Circolino Pipistrello als
Austragungsort für die Olympischen Spiele 2007 ausgewählt
haben.
… spielen, lernen und miteinander leben
• Während einer Woche machen die bis zu
hundert Teilnehmenden vieles, was auch im Rahmen der Sozialarbeit,
Sozialbegleitung, Sozialpädagogik oder Soziokulturellen Animation
einen Stellenwert einnimmt. In diesem Sinne kann ein Engagement des
Circolino Pipistrello in der Schule, im Heim oder Treffpunkt, im Rahmen
des Ferienpasses oder anlässlich eines Dorffestes lokale
Bestrebungen aufnehmen und unterstützen, im Sinne von
Prävention und Förderung.
• Im Pipistrello setzen sich die Mitwirkenden
eigene Ziele und erleben dabei, welche Schwierigkeiten sie zu meistern
haben auf dem Weg von der Zielsetzung zur Zielerreichung. Dass man sich
einmal durchsetzen, ein andermal nachgeben muss, gehört dazu, wird
oft für die Zukunft ein wichtiger Lernerfolg. Unterstützung
erhalten sie dabei von erfahrenen Leiterinnen und Begleitern, die sich
voll auf die konkreten Situationen und aktuellen Bedürfnisse
einlassen.
• In homogenen und heterogenen Gruppen
miteinander spielen, lernen und leben, Nummern einstudieren und sich
dabei gegenseitig helfen, das funktioniert im Allgemeinen sehr gut:
zwischen Jung und Alt sowie Menschen mit und ohne Behinderung. Wenn
beispielsweise ein Junge, der in seinem angestammten Umfeld schon
einiges auf dem Kerbholz hat, einem geistig behinderten Kind in der
Manege seine Hilfe anbietet, ist das vielleicht der Augenblick, an dem
er seine soziale Ader entdeckt hat.
• Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erkunden
immer wieder neue Fähigkeiten ihrer Hände und Füsse,
ihres ganzen Körpers und erweitern so spielerisch ihre Grob- und
Feinmotorik. Zum Beispiel wenn sie Purzelbäume schlagen, auf dem
Seil oder auf Fässern balancieren, Zaubertricks oder Clownnummern
darbieten und dabei auch erfahren, welche Exaktheit und Präzision
diese Aufgaben verlangen. Beschenkt und bestärkt werden sie am
Schluss durch den Applaus des Publikums.
• Oft probieren sie während einer Woche im
Circolino Pipistrello etwas zum allerersten Mal in ihrem Leben. Selbst
wenn dies objektiv nur bescheiden aussieht, kann es subjektiv
höchst wichtig sein. Es verlangt beispielsweise Mut, eine
Feuerfackel zu schlucken, und es heisst das Lampenfieber
überwinden, wenn dieses sie vor der Aufführung mit Zittern
und Bauchweh überfällt. Die Beteiligten erhalten so immer
wieder Erfolgserlebnisse, die ihnen Selbstsicherheit geben, die sie
nicht selten auf ihren weiteren Lebensweg begleitet.
• Unabhängig von schulischen
Lehrplänen stimmen die Pipistrelli ihre Animation voll auf die
Möglichkeiten und Fähigkeiten der Anwesenden ab. Hier gibt es
kein objektives «Metermass der Wertung», sondern immer nur
ein individuell angepasstes. Hier geschieht Individualisierung, wie sie
sonst nur selten möglich ist. Wenn etwa ein
querschnittgelähmtes Kind im Rollstuhl bei der Gala das
Nummernschild hochhält, ist das sein persönlicher Beitrag zum
Gelingen der Aufführung, wichtig für die andern, wichtig
für dieses selbst.
• Die Mädchen und Knaben, die Männer
und Frauen erleben, wie das «Gesamtkunstwerk Zirkus» aus
vielen Teilleistungen entsteht. Einzeln und miteinander erfahren sie
ein Wir-Gefühl, erleben sie, dass sie auch bei andern angenommen
sind. Und sie erkennen, wo Disziplin und Regeln Sinn machen. Fast so
wie in der bekannten Geschichte vom Blinden und Tauben, die sich im
Helfen ergänzen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erleben in der
Praxis, dass Leben im Miteinander eine tiefere Bedeutung erhält,
dass Sein letztlich Mit-Sein verlangt.
Animation heisst: Leben einhauchen
Vielfältig und jede Woche anders sind die Kunststücke, die
unter dem Chapiteau kreiert werden: Seien es Räder schlagen oder
Sprünge wagen, Menschenpyramiden aufbauen, Nummern am Vertikaltuch
oder am Trapez, Jonglagen mit Keulen oder mit dem Diabolo produzieren.
Sei es der Auftritt in der Rolle des Zirkusdirektors, des Nummerngirls
oder eines Fabeltieres. Sei es im Orchester beim Experimentieren mit
Instrumenten oder als Clown, Feuerspeier oder Fakir, geschminkt und
kostümiert.
Während der Proben und bei der Aufführung erfahren die
Beteiligten immer wieder Anderes als den Alltag, eine Art Gegenwelt:
die Welt des Spiels, der Kreativität, der Phantasie, animiert
durch Anteil nehmende, verstehende und unterstützende Pipistrelli.
Beim Schnuppern der Zirkusluft in dieses Andere abtauchen und sich
für eine kurze Weile seine Träume verwirklichen – das
wird immer wieder wahr im Circolino Pipistrello: für Jung und Alt,
für Menschen mit oder ohne Behinderung.
Weitere Informationen inklusive Tourneeplan findet man im Internet
unter www.pipistrello.ch. Für 2008 sind noch einige Wochen in
Schulen, für Ferienpässe, für Gemeinschaftszentren,
Vereine oder Heime offen. Interessierte sind jederzeit zum Besuch einer
Aufführung oder auf dem Platz willkommen. Adresse: Circolino
Pipistrello, Schöntal, 8486 Rikon. Telefon: von Mai bis Mitte
Oktober 079 357 88 47, von Mitte Oktober bis Ende April 052 383 15 91,
E-Mail: circolino@pipistrello.ch.