Abulhawa, Susan: Während die Welt schlief

Jenin im Blumenmonat April: früh morgens, bevor die Welt um sie herum erwacht, liest Amals Vater ihr aus den Werken grosser Dichter vor...

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Es sind Momente des Frieden und des Glücks, die das Mädchen ihr Leben lang im Herzen trägt, ein Leben, das im Flüchtlingslager beginnt, nach Amerika führt und dennoch stets geprägt ist vom ausweglosen Konflikt zwischen Israel und Palästina. Über vier Generationen erzählt der Roman eine tief berührende Geschichte über den Verlust der Heimat, eine zerrissene Familie und die immerwährende Hoffnung auf Versöhnung. Leider sind alle Details, im Rahmen ihrer Fiktionalität, in der dokumentarischen Literatur belegt. Eingespannt ist die Handlung zwischen dem Grossereignis der Nakba 1948 und dem Massaker von Sabra und Schatila 1982. Wie ein Bodensatz handelt die Geschichte auch von den Erschiessungen zur Zeit der Intifada I und II, bei welchen von ganz nahe das Leid der Bevölkerung beschrieben wird, welches die israelische Armee den Palästinensern beifügt. Nochmals auf einem weiteren Hintergrund wird das private, das intime Leben der Palästinenserinnen und Palästinenser geschildert: unerwartet offen, zärtlich und sinnlich.

Die Autorin Susan Abulhawa, 1970 geboren, wuchs als Kind palästinensischer Flüchtlinge in Kuweit, Jordanien und Jerusalem auf. Als Teenager ging sie in die USA, wo sie noch heute gemeinsam mit ihrer Tochter lebt. Sie bemüht in ihrem 2010 erschienen Erfolgsroman um Anteilnahme und Fairness. Selbst die «Jüdische Zeitung» anerkennt ihre Neutralität: «Susan Abulhawa gelingt es, die bittere Geschichte Palästinas im Verlauf des zwanzigsten Jahrhunderts als ebenso unterhaltsame wie aufschlussreiche Familienchronik mit Bestsellerpotential aufzuarbeiten. Abulhawa erzählt mit bemerkenswerter Neutralität, berücksichtigt die Standpunkte beider Seiten und hütet sich davor, Israel einseitig als Aggressor zu schildern. Ihre Sprache ist poetisch und suggestiv, bestimmte Bilder verharren noch lange im Gedächtnis des Lesers.»

Einen zusätzlichen Bezug erlaube ich mir: «Exodus» heisst ein amerikanischer Spielfilm von Otto Preminger aus dem Jahr 1960, welcher auf dem gleichnamigen Bestseller von Leon Uris basiert. Der fast dreieinhalbstündige Monumentalfilm, der weltweit von Millionen Menschen gesehen wurde, gilt als zionistisches Epos, welches in den USA und in Europa die Wahrnehmung des Nahostkonflikts zugunsten Israels prägte. Der grossartige, erschütternde, leider wahre Roman «Während die Welt schlief» von Susan Abulhawa müsste mit viel grösserer Berechtigung als ebenso grosse Produktion verfilmt werden und um die Welt gehen. Doch hier liegt ein wohl unlösbares Problem: Es bräuchte einige Millionen Dollar für die Filmproduktion und einige Millionen Dollarfür das weltweite Lancierung des Films, das aber haben die Palästinenser nicht. Wo findet sich der Sponsor für ein solches Werk? Eine solche Aufklärungskampagne wäre nötig, um erfolgreich anrennen zu können gegen die PR-Maschinerie der Israelis.

Abulhawa, Susan: Während die Welt schlief. Roman. Diana Verlag, München 2012. 431 Seiten.