Berlowitz, Shelley: Die Erfahrung der Anderen. Konfliktstoff im palästinensisch-israelischen Dialog *
«Im Zentrum dieses Buches steht die Zusammenarbeit von Menschen, die miteinander in einen Dialog traten und versuchten, die Menschlichkeit der Anderen und ihre eigene zu bewahren – gegen die Schwerkraft der politischen und gesellschaftlichen Zustände.» So heisst es auf dem Umschlag des an der Universität Basel als Dissertation angenommenen Buches der in Zürich lebenden Jüdin Shelley Berlowitz. Exemplifiziert wird dies an drei palästinensisch-israelischen Dialogen – was in der Methodologie durchaus auch bei andern komplexen Dialogen nützlich sein könnte.
Bisher kannte man das Thema aus Sumaya Farhat-Nasers «Verwurzelt im Land der Olivenbäume. Eine Palästinenserin im Streit für den Frieden» aus dem Jahre 2002. Die Palästinenserin schreibt als Beteiligte, persönlich und von innen, Shelley Berlowitz als Wissenschaftlerin, analysierend und von aussen. Das erste Buch endet mit dem Abbruch der Gespräche – die Autorin aber engagiert sich weiter als Friedenskämpferin. Berlowitz referiert, nach theoretischen Reflexionen, unter anderem auf Hannah Arendt aufbauend, über Dialog als Räume der Pluralität, nationale Narrative, Wahrheit und Fiktion und das kollektive Gedächtnis. Dazu untersucht sie das paradigmatische Gespräch zwischen dem Palästinenser Ibrahim Souss und dem Israeli Zvi Elpeleg und besuchte zwei dialogische Schauplätze, die über längere Zeit aufrechterhalten wurden: die Dialog-Gruppe von Beit Sahour (1998 – 2000) und die feministische Plattform Jerusalem Link (1994 – 2010): akribisch die letzten Verästelungen möglicher Fragestellungen ausleuchtend. Dabei rekonstruiert sie die Zusammensetzung der Kooperationen, interpretiert die Aussagen der Teilnehmenden behutsam und mit Einbezug historischer und politischer Kontexte. Sie zeigt kenntnisreich, wo die Wurzel des gegenseitigen Nicht-Verstehens und der Schlüssel für ein Miteinander liegen. Damit bringt die Untersuchung wesentliche Erkenntnisse für eine künftige dialogische Zusammenarbeit im Nahostkonflikt zutage. Im Schlusskapitel ortet sie dafür vier Spannungsfelder: zwischen Nähe und Distanz, Gleichheit und Ungleichheit, Reden und Handeln, Vergangenheit und Gegenwart. Mit einer Chronologie des Nahostkonflikts (von 1882 bis 2011) beschliesst sie das Buch, das erstmals die Frage der Schwierigkeiten eines Dialogs zwischen den beiden Völkern in dieser Ausführlichkeit wissenschaftlich bearbeitet. Weil die Interpretationen an konkreten Aussagen festgemacht sind, ist es auch für interessierte Nicht-Wissenschaftler (der Zitate wegen gute Englischkenntnisse vorausgesetzt) verständlich und nachvollziehbar. «Die Erfahrung der Anderen» gibt Antworten auf die entscheidende Frage – sieht man einmal von einer kriegerischen «Lösung» ab – einer Lösung des Nahostkonflikts im Dialog, in Verhandlungen. Das Buch zeigt Chancen auf, aber auch Schwierigkeiten: Indem es diese analysiert, wird es jedoch selbst zum Anfang einer leisen Hoffnung.
Berlowitz, Shelley: Die Erfahrung des Anderen. Konfliktstoff im palästinensisch-israelischen Dialog. Konstanz University Press, Konstanz 2012, 292 Seiten