Breaking the Silence (Hrsg.): Breaking the Silence *

«Breaking the Silence» ist eine NGO, die 2004 von Veteranen der israelischen Armee gegründet wurde. Für dieses Buch, das bei Amazon bereits ein Bestseller ist, sind über 700 Soldaten interviewt und 145 ausgewählt worden. Die in Interviewform gemachten Aussagen dokumentieren authentisch und schonungslos das Leben und Wirken der Besatzungsarmee zwischen 2000 und 2010. Im O-Ton berichten die Soldaten und Soldatinnen über das, was sie getan und unterlassen haben, und über das, worüber sie sich heute schämen. In vier Kapiteln wird die Fülle der Informationen gegliedert: «Vorbeugen» – Einschüchterung der palästinensischen Bevölkerung; «Trennung» – Kontrolle, Enteignung und Annexion; «Lebensstruktur» – Die Verwaltung des Lebens palästinensischer Zivilisten; Ein duales Herrschaftssystem: «Durchsetzen von Recht und Ordnung». Die erhellenden und zum Teil schockierenden Zeugnisse werden ergänzt durch Fotos und zwei instruktive, sehr detaillierte Karten über das besetzte Westjordanland mit ihren Kontrollpunkten, Sperren, Grenzziehungen und verschiedenen Siedlungsgebieten.

Was diese Berichte offenlegen, ist genau das, was das Fernsehen im Allgemeinen nicht zu leisten vermag: die Schilderung des Alltags hüben und drüben. Und unter dieser Oberfläche erscheint dann so etwas wie die 1986 von Hannah Arendt glasklar und provokativ in ihrem Eichmann-Buch formulierte «Banalität des Bösen». Einige ziemlich wahllos herausgepickte Zitate deuten die Brisanz des Buches für die israelische Bevölkerung und für die Weltöffentlichkeit an: «Wenn du als Soldat einen Schritt in die besetzten Gebiete machst, dann ist das, als ob du deine Moral in den Reisswolf wirfst, nach einer Minute ist nichts mehr davon übrig.» «Das war eine Zeit wie im Wilden Westen. Man konnte tun, was einem gerade einfiel, kein Mensch hat Fragen gestellt.» «Wir haben achtundzwanzig Menschen umgebracht. Das sind überhaupt keine Menschen, das sind Terroristen, das geht in Ordnung.» «Zuerst denkt man, man wäre ein Nazisoldat, man fühlt sich wie eine Art Nazisoldat, und irgendwann gibt man diese Idee auf, denn wie lange kann man sich fühlen, als wäre man ein Nazi? Also tut man einfach, was man tun soll. Und das raubt einem den Verstand. Echt. Jeder Soldat, der nicht durchgedreht ist, mit dem stimmt etwas nicht, glaube ich. Oder er hat sich innerlich vollkommen abgekapselt.» «Das alles geschieht hier, im Staat Israel, und niemand weiss davon, und niemand will es wissen, und niemand berichtet darüber. Die Leute ziehen es vor, nicht zu wissen und nicht zu verstehen, dass nicht weit von uns entfernt etwas Schreckliches geschieht. Das interessiert keinen. Und die Soldaten dort sind unglücklich, die Palästinenser sind superunglücklich. Und keiner hilft ihnen.» Ich nehme an, dieses Buch löst bei jedem Leser und jeder Leserin vieles aus, mit dem er und sie, wir alle weiter leben müssen.

Breaking the Silence (Hrsg.): Breaking the Silence. Israelische Soldaten berichten von ihrem Einsatz in den besetzten Gebieten. Econ Verlag, Berlin 2012. 409 Seiten.