Cohen, Jacob: Frühling der Sayanim. Erzählung
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Der Autor Jacob Cohen wurde 1944 in Meknès im nördlichen Marokko geboren, studierte in Casablanca Jurisprudenz und machte in Paris ein Diplom in Politwissenschaften. Er lebte in Berlin und Montreal, kehrte nach Casablance zurück, wo er an der rechtswissenschaftlichen Fakultät 1978 bis 1987 lehrte, bis er wieder nach Paris zurückkehrte.
Die Sayanim (hebräisch: Informanten) sind Juden aus der Diaspora, die sich aus Patriotismus bereit erklären, als Informanten mit zionistischen Geheimdiensten wie dem Mossad oder anderen Organisationen zusammenzuarbeiten. Ihre konkrete Hilfe besteht darin, dass sie ihr Fachwissen und ihre Beziehungen für Israel zur Verfügung stellen. In Frankreich gibt es davon etwa 3000 Personen. Sie rekrutieren sich hauptsächlich aus den Reihen den B'nai B'rith (Söhne des Bundes), einer internationalen jüdischen Loge und anderen nationalen jüdischen Verbänden. «Frühling der Sayanim» erkundet, formal zwischen Wirklichkeit und Fiktion pendelnd, ihre nebulösen Verzweigungen und Netzwerke vor allem in der Freimaurer-Szene von Paris, wo sich Sayanim eingeschleust haben. Die im Buch beschriebenen Ereignisse haben tatsächlich stattgefunden, einige Personen, zum Teil mit stark verfremden Namen, wie auch die erwähnten Medien und politisch-kulturellen Gruppierungen, existieren, lediglich die Dialoge sind erfunden.
Eingeleitet wird das Buch mit Aussagen von vier Wissenschaftlern, Spezialisten des israelischen Geheimdienstes, sowie dem Vorwort des Autors, «Gestern Polarstern, heute ein schwarzes Loch», welche den politischen Hintergrund der Erzählung mit seinen 13 Kapiteln beschreiben. Dieses erzählt vom Versuch eines Sohnes von marokkanischen Einwanderern, dem Geschichtslehrer Youssef El Kouhen, der sich vollkommen in die republikanische Gesellschaft zu integrieren versucht und in der Freimaurer-Loge «Grand Orient de France» seine bitteren Erfahrung macht. Andere Episoden zeigen die Verbindungen französischer Sayanim mit dem Mossad, dem israelischen Geheimdienst, womit sie die Heiligkeit Israels zu verteidigen und die Medien in diesem Sinne zu manipulieren versuchen.
Beim Theater und abgeleitet in der Politik spricht man von der «Vorderbühne» und von der «Hinterbühne» (Erwing Goffman). Der Soziologe umschreibt damit das offenbare Geschehen auf der Vorderbühne und das geheime auf der Hinterbühne und deren Interdependenzen. Jacob Cohen macht etwas Ähnliches. Er untersucht die verborgene Machenschaften auf der «Hinterbühne» und ihre Auswirkungen auf die bekannten Ereignisse auf der «Vorderbühne»: die konkrete Politik Israels und des weltweiten Judentums, für welche von der «Hinterbühne» ideelle und finanzielle Hilfen geleistet und Netzwerke zu den Medien und in die Regierung gezogen werden – alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit, selbst der im Allgemeinen gut informierten. Alles läuft unter dem Motto «Frieden zwischen den beiden Völkern». Gerade in dieser Verschleierung der Problematik des Nahost-Konfliktes liegt jedoch eine grosse Gefahr. Denn nach dieser Interpretation sprich Manipulation gibt es, so heisst es, seit Jahrzehnten «Friedensgespräche», die nie auch nur ein im Entferntesten wirkliche Friedensgespräche waren. Und mit dieser Idee glauben auch heute noch viele Gutgesinnte, Idealisten und Engagierte – Leider muss ich es so sagen, obwohl ich viele dieser Menschen kenne –, dass mit «mehr Miteinander», mit «gutem Willen» und immer neu mit «Glauben, Hoffen und Beten» der Konflikt gelöst werde. Ich denke, er wird damit cachiert, verwischt und perpetuiert.
Cohen, Jacob: Frühling der Sayanim. Erzählung