Finkelstein, Norman G.: Methode und Wahnsinn. Die Hintergründe der israelischen Angriffe auf Gaza *

In den vergangenen sieben Jahren hat die israelische Armee den Gaza-Streifen dreimal angegriffen: 2008/2009 mit der «Operation Gegossenes Blei», 2012 der «Operation Säule der Verteidigung» und 2014 der «Operation Fels in der Brandung».

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Diese «Operationen», wie sie euphemistisch heissen, kosteten fast viertausend Palästinensern das Leben, Tausende wurden schwer verletzt. Der Gaza-Streifen ist bis heute ein Trümmerfeld, und die UNO erklärt, spätestens 2020 sei dieses grösste Freiluftgefängnis des Planeten unbewohnbar. Die von der internationalen Gemeinschaft und der EU versprochenen Hilfsgelder für den Wiederaufbau und die notwendige Versorgung der Bewohner des Gaza-Streifens blieben bis heue aus.

Norman G. Finkelstein, 1953 geboren, heute in New York lebend, dort und in Chicago als Politologe lehrend, untersucht in seinem Buch «Methode und Wahnsinn» die Methodik israelischer Politik in Bezug auf Gaza und das Westjordanland. Er weist detailliert nach, dass die Angriffe nicht der Selbstverteidigung des Staates Israel dienen, sondern Bausteine einer strategischen Planung zur Zerstörung Gazas und der Verhinderung eines souveränen Staates Palästina sind. Die von UN seit Jahrzehnten eingeforderte Zwei-Staaten-Lösung wird dadurch zur Fiktion. Belohnt wird die Politik Israels am Ende des Jahres 2015 mit nahezu einer Verdoppelung amerikanischer Militärhilfe für Netanjahus Regierung. Ausführlich wurde hier auch der Goldstone-Bericht und dessen Rezeption referiert. 387 Anmerkungen auf 38 Seiten belegen die Exaktheit der Arbeit, die leider wegen andersweitigem Vorabdruck einige Wiederholungen enthält. Der Verweis im Buchtitel auf Shakespeares Hamlet, «Ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode», beschreibt die absurde politische Realität in Israel/Palästina.

«Nach dem Völkerrecht ist es einer Besatzungsmacht verboten, das Streben nach Selbstbestimmung gewaltsam zu unterdrücken, wohingegen es einem Volk nicht verboten ist, bei seinem Streben nach Selbstbestimmung Gewalt anzuwenden», so umschreibt Finkelstein Seite 94 die völkerrechtliche Situation. Mit diesem Grundsatz liegt es an uns, zu fragen, was hier zu tun ist. Auf Seite 104 geht der Autor auf Gandhis gewaltfreien Widerstand ein und fragt: «Was, wenn die Zeit, Energie, Kreativität und Genialität, die sonst in den Tunnelbau fliesst, stattdessen auf Gazas wertvollste Ressource – seine Bevölkerung – verwandt würde? Was, wenn man eine gewaltfreie Grossdemonstration veranstaltete, um die Aufhebung der Gaza-Blockade zu fordern?» Und es folgen konkrete Vorschläge, wie das zu geschehen hätte, auch am Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York und Genf. Dass es bei solchen Aktionen auch Tote geben kann, muss konzidiert werden, wenn sicherlich auch viel weniger als in jedem der Gaza-Kriege. Doch, so meine ich, müsste zuvor eine gross angelegte Aufklärungskampagne für ein neues Bewusstsein über den Nahen Osten durchgeführt werden, darf man sich nicht weiter mit Beten und Hoffen begnügen – und dies in einer Zeit, in der Israel/Palästina von den politischen Agenden verschwunden ist und der Nahe Ostens, wie man ihn kannte, nicht mehr existiert.

Es müssen, so meine Anmerkung, einige Tatsachen immer und immer wieder wiederholt werden: So, dass die USA nicht weiter für den Unterhalt der israelischen Armee zuständig sein darf. Wir müssten auch aufhören, beim Nahostkonflikt von zwei parallele Kriegsparteien zu sprechen; denn Israel hat eine hochaufgerüstete Armee, Palästina amateurhaft ausgerüstete Einzelkämpfer. Wenn man bei den Hamas, wie häufig, von Terroristen spricht, muss man konsequenter Weise bei den Israelis von Staatsterroristen sprechen. Wir müssen weiter ernst machen mit einem weltweiten Boykott des kolonialistischen Apartheitsregimes. Solches und viel anderes muss, so denke ich, weltweit vermehrt in die Medien und in die Öffentlichkeit, bis endlich die nötige Masse überzeugter Menschen bereit ist, weltweit die nötigen Demonstrationen zu starten. Denn ich denke, der Nahostkonflikt wird nicht allein im Nahen Osten entschieden.

Finkelstein, Norman G.: Methode und Wahnsinn. Die Hintergründe der israelischen Angriffe auf Gaza, Laika Verlag, Hamburg 2016, 149 Seiten