Illouz, Eva: Israel. Soziologische Essays

«Es kann keine bessere Weise geben, die Juden und das Judentum zu lieben, als auf der Forderung zu bestehen, dass Israel ein universalistischer und säkularer Staat wird, dass es alle seine Bürger gleich repräsentiert und die Idee von unser aller Humanität verkörpert.»

www.telerama.fr
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Eva Illouz wurde 1961 in Marokko geboren, wuchs in Frankreich auf, arbeitete in Amerika und ist jetzt Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Neben ihrer Arbeit als wissenschaftliche Autorin schreibt sie regelmässig für die israelische Tageszeitung «Haaretz». In Deutsch sind von ihr «Warum Liebe wehtut. Eine soziologische Erklärung» und «Die neue Liebesordnung. Frauen, Männer und Shades of Grey» erschienen.

«Die Essays wurden im Engagement für eine Erneuerung der jüdischen Existenz geschrieben, verstanden als eine nichtreligiöse Antwort auf die Herausforderung der Moderne und des Universalismus», schreibt die Autorin in der Einleitung. Eva Illouz, selbst sephardische und strenggläubige Jüdin, will einen prüfenden Blick auf die Dinge werfen, um «vermittels der reinen Anschauung und des reinen Denkens zu versuchen, das Dunkel zu durchdringen, das uns umgibt». Im tiefsten Sinn ist es Aufklärung, was Illouz hier leistet. «Der Zweck dieses Buches ist kein Geringerer, als Juden auf der ganzen Welt einen Spiegel vorzuhalten, um sie an die Ideale zu erinnern, für die sie in den letzten zweihundert Jahren gekämpft haben und die dafür sorgten, dass ihre Gemeinschaften gediehen.»

Zur Erstveröffentlichung der Essays in der «Haaretz» meinte sie: «Erstens wollte ich die sozialen Tiefenstrukturen hinter jenen „Ereignissen" verstehen, von denen uns tagtäglich zuhauf berichtet wird, und die zusammen die politischen Nachrichten ausmachen.» Sie versteht diese Tiefenstrukturen nicht nur in ihrer kritischen Analyse, sie kann sie einer interessierten Leserschaft auch klar und dennoch differenziert weitergeben. Als sephardische und weibliche Jüdin selbst diskriminiert, versteht sie von innen heraus die Diskriminierung, welche die Araber vom jüdischen Staat mit etwa 50 speziellen Gesetzen erfahren. Die Autorin schreibt, dass sie in den Siedlern die «finstersten Kräfte» sieht, wo Brutalität und Gewalt zur geistigen Gewohnheit und als jüdisch und patriotisch verherrlicht wird. Jüdischer Partikularismus verunmöglicht universale Rechte: eine der wiederholten Fakten.

Unter den vierzehn Essays haben mich folgende besonders herausgefordert, verunsichert und bereichert: «Kann man eine jüdische Intellektuelle, ein jüdischer Intellektueller sein?»; «Ist Israel zu jüdisch?»; «Warum Israel keine Israelis kennt»; «Israel, ein Feudalstaat?»; «Dreyfus in Israel, ein Gedankenexperiment»; «Ich? Eine Jüdin? Antisemitisch?»; «Die Gewohnheit des Gehorsams»; «Der Zement der ethnischen Zugehörigkeit»; «Der ethnische Verdruss»; «Diskriminierung auf Israelisch»; «Am Ende wird die Linke siegen»; «Die Dialektik der freien Meinung» Was Eva Illouz in diesem schmalen Bändchen macht, ist «soziologischer Journalismus», ist «journalistische Soziologie». Sie «mischt sich in ihre eigenen Angelegenheit ein», wie Max Frisch einmal formulierte, und ermuntert und befähigt uns mit diesem Buch, dies auch selbst zu tun, hier und jetzt.

Illouz, Eva: Israel. Soziologische Essays. Suhrkamp, Berlin 2015. 228 Seiten