Levy, Gideon: Schrei, geliebtes Land. Leben und Tod unter israelischer Besatzung *

Zehn Jahre nach der ersten Auflage veröffentlicht der Zambon-Verlag das Buch «Schrei, geliebtes Land» (Original «Esor Hadimdumim») von Gideon Levy zum zweiten Mal.

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Ein notwendiges, kenntnisreiches Buch über die wirklichen Lebensbedingungen, die Repression, die Verelendung und die Segregation, in denen das palästinensische Volk steckt. Es beinhaltet 45 Artikel, geschrieben zwischen Januar 2002 und Dezember 2004 und publiziert in der «Haaretz». Die Lektüre der engagierten, dennoch fairen, der exakt recherchierten, dennoch verständlich geschriebenen Beiträge beweist, dass sich in der Zwischenzeit nichts Wesentliches im besetzten Palästina Israel verbessert, eventuell in der Ausgestaltung verändert, insgesamt jedoch verschlechtert hat.

Der Jude Levy wurde 1953 in Tel Aviv geboren. Für sein Werk hat er unter anderem den Leipziger Medienpreis 2003, den Europa-Mittelmeer-Journalistenpreis für Kulturdialog 2007 und den Media Award 2012 erhalten. Er ist Mitarbeiter der liberalen israelischen Zeitung «Haaretz», die nach dem letzten Gaza-Krieg ihm wegen diverser Morddrohungen Leibwächter stellt.

Auf die Frage von ZEIT-online, ob seine Texte überhaupt gelesen werden, nachdem er seit mehr als zwanzig Jahren Woche für Woche in die besetzten palästinensischen Gebiete fahre und seine haarsträubenden Geschichten mitbringe, antwortete Levy: «Mein Ziel war und ist, die israelische Besatzung zu dokumentieren – mit all ihrer Brutalität und Unmenschlichkeit, mit allem Töten und aller Demütigung und mit der Dämonisierung und Entmenschlichung der Palästinenser. Es ist etwas, worüber die meisten Leser in Israel nichts lesen wollen und was die meisten Verleger nicht verlegen möchten. Die Regierung, das Militär, die Armee sind ganz sicher nicht daran interessiert. Ich weiß: Letztlich schreibe ich fürs Archiv. Von einem seelischen Standpunkt aus ist es nicht leicht zu verdauen, dass in deinem Namen als Israeli, der du glaubst, du seiest Teil der freien Welt, eine halbe Stunde von deinem Zuhause diese schrecklichen Gräueltaten geschehen und diese schreckliche Ungerechtigkeit.»

Einige Stichworte, die Gideon Levys Überzeugung etwas umschreiben: Er unterstützt den einseitigen Rückzug der Israelis aus den besetzten palästinensischen Gebieten. Lange war er für eine Zwei-Staaten-Lösung, heute für die Ein-Staaten-Lösung, da eine andere nicht mehr möglich ist. Er unterstützt den wirtschaftlichen, vor allem auch den akademischen und kulturellen Boykott Israels. – In welcher Absurdität das System des jüdischen Staates funktioniert, sagt eine von ihm übermittelte Aussage von Ehud Barak, der auf die Frage, was er machen würde, wenn er als Palästinenser unter dieser Besatzung geboren worden wäre, antwortete: «Ich würde mich einer terroristischen Organisation anschliessen.» Voll solcher aufschlussreicher, erleuchtender Fakten, Beobachtungen und Interpretationen ist das Buch.

«Schrei, geliebtes Land. Leben und Tod unter israelischer Besatzung» ist erschütternd und absolut wichtig – vor allem, wenn man der Meinung ist, dass Israel nicht aus eigener Kraft vor dem absoluten Absturz in die Barbarei gerettet werden kann, sondern nur noch durch Interventionen den Zivilgesellschaften der umliegenden Länder. Wenn dieses Buch möglichst viele Europäer, auch Schweizer, lesen und dann entsprechend handeln, dann schreiben Sie, lieber Gideon Levy, nicht fürs Archiv, sondern für einen irgendwann von aussen erzwungenen Frieden in diesem wunderbaren, doch gequälten Land Palästina-Israel.

Levy, Gideon: Schrei, geliebtes Land. Leben und Tod unter israelischer Besatzung. Zambon, Frankfurt am Main 2014, 256 Seiten