Zimmermann, Moshe: Die Angst vor dem Frieden

 

Moshe Zimmermann, Direktor des Richard-Koebner-Center for German History an der Hebräischen Universität Jerusalem und Gastprofessor an der Universität Kassel, wird momentan viel zitiert. Er ist als Mitglied der Unabhängigen Historikerkommission Mitautor der vom ehemaligen Bundesminister Joschka Fischer initiierten Studie «Das Amt und die Vergangenheit», die am 21. Oktober 2010 erschienen ist. Diese entlarvt die Meinung, das Deutsche Auswärtige Amt sei von 1933 bis 1945 ein Hort des Widerstands gewesen, als Mythos.

Der israelische Historiker und Publizist legt mit seinem ebenfalls vor Kurzem erschienenen Buch «Die Angst vor dem Frieden. Das israelische Dilemma» die heute wohl aktuellste und umfassendste Analyse des Nahostkonfliktes vor, in der ebenfalls die Mythen untersucht werden, welche hinter diesem Konflikt stecken. Sie fusst auf den umfangreichen Werken von weiteren «Neuen Historikern» wie Tom Segev, Ilan Pappe, Idith Zertal und Akiva Eldar sowie seinen eigenen Forschungen und Beobachtungen. Unmöglich scheint es mir, die wichtigsten Erkenntnisse dieser Studie kurz zusammen zu fassen. Doch alle wesentlichen Fragen zum Thema werden darin behandelt. Er zeigt auf, dass die israelische Gesellschaft mehr Angst vor jenen Kräften hat, die prinzipiell gegen jeden Verzicht auf besetztes palästinensisches Gebiet sind, als vor dem katastrophalen Zustand des Unfrieden. Dazu erklärt er historische Hintergründe und aktuelle Folgen einer Politik, die den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt nicht durchbrechen kann. Nach der Einleitung «Die Angst vor zerstörten Mythen» beginnt die «Chronik der Angst», gefolgt von den Kapiteln «Die Angstmacher und ihre Geiseln», «Die wahren Postzionisten», «Die verwandelte Orthodoxie», «Die Araberhasser», «Die Siedler», «Die Hügeljungen» und «Das Militär». Den Kapiteln «Israels Geiseln», «Diasporajuden», «Der Westen» und «Das Shoahgedächtnis» folgt das «Fazit: Wie man die Angst überwinden kann». Darin vergleicht er den «Tanz auf dem Vulkan Nahost» mit dem Tango, zu dem es bekanntlich immer zwei Partner braucht, hier also die Israelis und die Palästinenser. Den israelischen Part der Untersuchung hat hier Zimmermann gespielt. Doch, um im Bild zu bleiben, beendet wird der Tanz abrupt durch eine Haltung der Absage aus Angst, welche der heutige Aussenministers Avigdor Liebermann formuliert: «Israel muss ein für allemal verrückt spielen, um etwas zu ändern.»

Dieses faktenreiche und dennoch gut lesbare Buch ist Aufklärung über den Nahen Osten, wie ich sie mir besser nicht vorstellen kann, geschrieben von einem der kompetentesten Forscher Israels. Schade, dass es gegenwärtig keinen Palästinenser gibt, der Zimmermann mit seiner Sicht der Wahrheit ergänzen könnte. Einer der Kandidaten für diese Aufgabe, kein Wissenschaftler, sondern ein ausgewiesener Politiker, der das Vertrauen der Hamas wie der Fatah hat, sitzt in einem israelischen Gefängnis: Marwan Barghuthi.

In einem «Update 2012» bezieht Zimmermann den «arabischen Frühling» und die Demonstrationen für soziale Gerechtigkeit in Israel in seine Analyse ein. Im Ergebnis kommt er zum gleichen Schluss, braucht seine Sicht leider in nichts zu revidieren. Israel verharrt weiter in ihrer «Wagenburgpolitik» gegen aussen und bleibt in der Innenpolitik beim Alten. Beni Katzover, einer der Führer der Sidlerbewegung, fasste im Januar 2012 sein vielsagendes Urteil zusammen: «Die israelische Demokratie steht am Ende und muss sich dem Judentum unterordnen» , was der im November 2012 begonnende neue Krieg nur nochmals bestätigt.

Moshe Zimmermann: Die Angst vor dem Frieden. Das israelische Dilemma. Aufbau Verlag, Berlin 2010, 160 Seiten. 3 überarbeitete Auflage 2012