Oz, Amos: Liebe Fanatiker. Drei Plädoyers *

Die drei Texte des bedeutenden israelischen Schriftstellers, stammen nach seiner eigenen Meinung «weder von einem Wissenschaftler, noch von einem Experten, sondern von einem Betroffenen, dessen Gefühlen bisweilen ebenfalls betroffen sind».

AmosOz 

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Selten las ich ein Buch, das mich gleichermassen hin- und hergerissen hat wie dieses. «Der Faden, der die Plädoyers miteinander verbindet, sind mein Wunsch, einen persönlichen Blick auf diejenigen Fragen zu richten, die bei uns Quell grosser Streitigkeiten sind und mir in manchen Fällen besonders existenziell zu sein scheinen. Sie erheben weder den Anspruch, alle Details, der Streitigkeiten zu beleuchten, noch den, alle ihre Facetten abzubilden, geschweige denn ein abschliessendes Wort zu sprechen; sie wollen vielmehr um die Aufmerksamkeit jener bitten, die anderer Meinung sind als ich.» So schreibt der 1939 in Jerusalem geborene Amos Oz, der vielfach preisgekrönte Schriftsteller, Journalist und Mitbegründer der politischen Bewegung Peace Now im Vorwort. Doch weshalb hin- und hergerissen?

Das neue Buch des berühmten Autors, das Hunderte von klugen und exzellent formulierten Formulierungen enthält, erscheint mir wie eine Aphorismen-Sammlung. Diese zusammenzufassen, ist für mich unmöglich. Die Texte behandeln dies und das und mehr. Unter anderem informiert er über das Innenleben des Judentums, was wohl die wenigstens nicht-jüdischen Leser interessieren dürfte. Gleichzeitig stellt er sich persönlich und differenziert der aktuellen Frage der Israel-Palästina-Beziehung. Dabei plädiert der 77-Jährige für Geduld. Manchmal erscheinen mir gewissen Passagen jedoch, trotz oder vielleicht gerade, ihrer Luzidität als L'art pour l'art. Seinem Vorwort folgend, in dem er um die Aufmerksamkeit jener bittet, die anderer Meinung sind als er, möchte auch ich jene bitten, die anderer Meinung sind als ich, das Buch zu lesen. Vielleicht kann man es auch ganz anders lesen als ich. Dass es «Fanatiker» zu allen Zeiten und an allen Orten gibt, ist eine der vielen Botschaften dieses Buches, die über Israel hinaus Bedeutung haben. «Neugier und Fantasie, die Akzeptanz von Unterschieden und die unbedingte Bereitschaft zum Kompromiss», sind die Tugenden, die Oz den Fanatikern der Welt entgegenhält. Doch könnte man dies, so frage ich mich, nicht einfacher, direkter, knapper formulieren?

Recycling, Redundanz, Verständnishilfe

Der erste Essay basiert auf einer Vortragsreihe, die Oz an der Universität Tübingen im Jahr 2002 gehalten hat, welche im Band «Wie man Fanatiker kuriert» erschienen ist und er für diese Ausgabe überarbeitet, erweitert und aktualisiert hat. Der zweite, «Viele Lichter, nicht nur eins», fusst auf dem Buch «Juden und Worte», das er 1913 mit seiner Tochter Fania Oz-Salzberger geschrieben hat, das sich auf seinen Vortrag «Ein voller und ein leerer Wagen», den er an der Universität Bar-Ilan gehalten hat und gekürzt in «All die Hoffnung» 1998 publiziert hat und das sich auf eine Rede bezieht, die er 2016 bei der Familie Shenhav in Tel Avis gehalten hat. Allein der dritte Essay, «Träume, von denen sich Israel möglichst bald befreien sollte», liegt hier erstmals gedruckt vor. Ansonsten scheint mir, enthält der Band etwas viel Recycling.

Die Komplexität seines Denkens und die Überfülle seine klugen Gedanken, sind nach meiner Meinung in diesem Buch überladen, höchst redundant. Doch es gibt eine nützliche Verständnishilfe: Das Gespräch, das Amos Oz unter dem Titel «Israel – Die Wurzeln des Fanatismus» in den «Sternstunden» im Schweizer Fernsehen am 13. Mai 2018 mit Yves Bossart geführt hat. Hier wird einem durch das neugierige Fragen des Moderators und die Antworten des Autors vieles verständlich, weil es gegliedert, proportioniert und didaktisch bearbeitet ist. Wer die Sendung gehört und gesehen hat, wird wohl anschliessend auch vom Buch mehr profitieren.

Oz, Amos: Liebe Fanatiker. Drei Plädoyers. Suhrkamp, Berlin 2018, 142 Seiten