Pappe, Ilan: Wissenschaft als Herrschaftsdienst
Mit dieser wissenschaftlichen Arbeit, Original «Out of the Frame», stiess Ilan Pappe in Israel auf heftige Ablehnung. Nach deren Veröffentlichung konnte er seine Lehrtätigkeit nicht mehr fortsetzen. Morddrohungen, Denunziationen durch die Boulevardpresse mit der offenen Forderung, ihn «auszuschalten», veranlassten ihn, Israel zu verlassen. Er verlor seinen Lehrstuhl als Rektor des Instituts für Friedensstudien in Givat Haviva und die Leitung des Emil Touma Instituts in Haifa und übersiedelte an die Universität Exeter in England, wo er heute Professor am Institut für Arabische und Islamische Studien, Direktor der Europäischen Zentrums für Palestine Studies und Co-Direktor des Zentrums für Exeter Ethno-politische Studien ist. Seinem persönlichen Wege vom «Zionisten» zum «Antizionisten» folgend schildert er, was gleichzeitig in der israelischen Gesellschaft und Politik geschah: die «Bewaffnung des zionistischen Geistes», die «Kooptierung der Medien» und die «Verbindung zwischen Armee und akademischer Welt». Diesen Ideologiewechsel analysiert er an verschiedenen Ereignissen, so den Forschungsergebnissen über das Massaker von Tantura im Jahre 1948. Dabei stossen auch Vielbelesene immer wieder auf Neues, so beispielsweise den Fakt, dass 2004 die israelische Armee in der Wüste Negev mit 45 Millionen US-Dollar eine naturgetreue Phantomstadt von Gaza gebaut hat, um hier jahrelang die Operation «Gegossenes Blei» minutiös zu proben.
Für Pappe, der sich immer für die Ideologie hinter den Fakten interessiert, war der Zionismus eine «grossartige Reaktion» auf die «akuten Probleme der jüdischen Existenz in Europa». Aber diese edlen Motive sind verschwunden, als Palästina zum Ziel des zionistischen Unternehmens ausgewählt wurde. Es ging nicht mehr um die Rettung von Menschen, sondern um eine konzentrierte Kolonisierung und Enteignung. Nach seiner Meinung schuf sich die Armee mit Israel ihren Staat. Die Entwaffnung dieses modernen Sparta müsse mit der Entwaffnung der Ideologie beginnen, sagt der Autor, der sich auch in England nicht in den akademischen Elfenbeintum zurückzieht, sondern weiter gegen die israelische Regierung und für das palästinensische Volk kämpft. – Eine intellektuell anspruchsvolle Autobiographie und gleichzeitig eine erhellende Dekonstruktion der neueren Geschichte Israels.
Pappe Ilan: Wissenschaft als Herrschaftsdienst. Der Kampf um die akademische Freiheit in Israel. LAIKA-Verlag, Hambug 2011, 189 Seiten