Spiewak, Bahij: Die Hölle von Gaza. Erkundungen eines Infernos

360 Quadratkilometer, 1.800.000 Menschen: das größte Gefängnis des Planeten. Doch damit nicht genug.

bahij Spiewak
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In den vergangenen sechs Jahren hat die israelische Besatzungsmacht diesen schmalen Landstreifen zweimal angegriffen, Tausende Tote sind das Ergebnis. Der Zynismus der Netanjahu-Regierung wird daran erkennbar, dass die Bevölkerung Gazas jeweils Minuten vor den Flächenbombardements gewarnt wurde, um «sich in Sicherheit zu bringen». Wohin aber sollen Tausende von Menschen fliehen, die man eingesperrt hat? Mit Recht bezeichnete Abbas den jüngsten Angriff Israels vor der UNO als Kriegsverbrechen und Völkermord. Zweidrittel der mehr als tausend getöteten Palästinenser waren Frauen und Kinder. Die mehr als 12.000 Schwerverletzten konnten zum grössten Teil nicht medizinisch versorgt werden, weil Israel auch gezielt Krankenhäuser bombardierte. Hier wurde Gaza wörtlichen zur Hölle. Bahij Spiewaks Buch ist ein erschütternder Report des Leidens und Grauens der israelischen Operation Protective Edge, gleichzeitig ein analytisches Durchdringen der Ereignisse.

Der Autor Bahij Spiewak wurde 1953 in Nablus/Palästina geboren, studierte Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und Arabistik. Er promovierte mit der Dissertation «Die Prinzipiengemeinschaft der Europäischen Union und die Frage des Wertetransfers». Seine Forschungsschwerpunkte sind der Nahe Osten und der arabisch-israelische Konflikt sowie Fragen der europäischen Integration. «Hölle von Gaza. Erkundigungen eines Infernos», geschrieben in der Tradition der Neuen Historiker Israels, ist eine Geschichte Gazas (samt Chronologie) und setzt diese in Beziehung zum übrigen Palästina. Spiewak schildert in gut lesbarer Sprache und fussend auf wissenschaftlichen Dokumenten, beginnend mit Alexander dem Grossen, entlang den israelischen Kriegen bis 2014, dem schrecklichen, 51 Tage dauernden Massaker, bei welchem Gaza wirklich zur Hölle wurde. Spiewaks Analyse geht in die Tiefe, macht den Un-Geist sichtbar, der die Israelis dazu treibt, auf solche Weise immer neue Terroristen zu erzeugen. Ein Mitarbeiter Scharons spricht denn auch Klartext, der entlarvt: «Die Resolution (der UNO) ist eine dieser deklarativen Resolutionen, die auf dem Müllhaufen der Geschichte landen werden.» Wie lange, so frage ich mich, muss Israel wohl weiter so politisieren, bis es sich selbst auf dem Müllhaufen der Geschichte findet. Kurz vor dem Ende des letzten Krieges schrieb Ari Shavit, ein israelischer Journalist: «Die Härte der Aktionen der Armee kann Hamas verletzten, aber sie vernichtet Israel. Vernichtet seine Seele und sein Image. Sie vernichtet es auf den Bildschirmen im Wohnzimmer der Weltgemeinschaft.»

Spiewak, Bahij: Die Hölle von Gaza. Erkundungen eines Infernos. Laika-Verlag, Hamburg 2015, mit Karten, 127 Seiten