Farhat-Naser, Sumaya: Disteln im Weinberg

Nach «Verwurzelt im Land der Olivenbäume» und «Tymian und Steine» veröffentlicht Sumaya Farhat-Naser ein drittes Buch mit einem Titel, der an ihre ursprüngliche Profession (Botanikerin, Ökologin) erinnert. Das Tagebuch, das die Zeit vom 11. Juni 2006 bis 31. März 2007 umfasst, zeugt davon, dass sie die Natur, aber noch viel mehr die Menschen darin liebt. Das Werk enthält eine riesige Fülle von nüchtern recherchierten Fakten (Tagesaktuelles, aber auch Grundsätzliches wie jene neun Seiten Verbote für die Palästinenser oder die ausführliche Schilderung der Situation an den neuen Checkpoints), aber auch einen Reichtum an Gefühlen von Palästinenserinnen und Palästinensern, denen sie begegnet, mit denen sie lebt. Im Brief an einen palästinensischen Kunsstudenten in Weimar, der sie um Rat frägt, ob er sich an einem jüdisch-palästinensischen Projekt beteiligen soll, stellt sie eine ausführliche Analyse an und rät ihm am Schluss, von der Mitarbeit abzusehen: eine Antwort, die im Blick auf die Friedensarbeit wohl noch einen weiteren philosophischen Diskurs verlangt.

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Den Band beschliesst, neben zwei Karten und einer Chronologie, ein Essay des Schweizer Juden Ernest Goldberger, der den Aussagen Farhat-Naser folgt und sie mit der soziologischen Analysen vernetzt, wie wir sie aus «Die Seele Israel» kennen. Er meint, dass die Frage nach der Schuld nicht weiter hilft, sondern dass, analog zur «Kausalhaftung» in der Rechtswissenschaft, eine «Kausalverantwortlichkeit» in der Ethik an erster Stelle von den Mächtigen, an zweiter aber auch von den Schwachen einzufordern ist. Er schreibt, was dem Weiterdenken dienen soll: «Der Nahostkonflikt ist nur mehr lösbar auf der Grundlage von Vernunft, Realitätssinn und Hochhaltung der universalen Menschenrechte für alle als oberstes Prinzip.»

Sumaya Farhat-Naser: Disteln im Weinberg. Tagebuch aus Palästina. Mit einem Essay von Ernest Goldberger, Lenos-Verlag, Basel 2007, 312 Seiten, ISBN 978 3 85787 386 7