Oetliker, Sybille: Standhaft, rechtlos. Frauen im besetzten Palästina *

 

Sybille Oetliker hat als Nahost-Korrespondentin der Aargauer Zeitung, der Basler Zeitung und der Neuen Luzerner Zeitung von 2004 bis 2009 in Jerusalem gelebt. Ihr soeben erschienenes Buch «Standhaft, rechtlos. Frauen im besetzten Palästina» füllt eine Lücke in der Literatur über den Nahen Osten. Seit Jahren schätze ich die Berichte der Autorin über Israel und Palästina, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie nicht bloss über die offiziellen Ereignisse informiert, sondern in gut beobachteten und hinterfragten Szenen den Alltag der Menschen in Israel und Palästina erlebbar und verstehbar macht. Mit Offenheit und Empathie leuchtet sie Hintergründe aus, zeigt Zusammenhänge auf und lässt im scheinbar Privaten das Politische durchscheinen. Sie informiert den Intellekt und berührt die Seele!

In ihrem Buch stellt sie uns vierzehn palästinensische Frauen aus der Westbank, Ost-Jerusalem und dem Gaza vor: alte und junge, privilegierte und unterprivilegierte Musliminnen und Christinnen. Die Porträts, die zwischen Oktober 2008 und Mai 2009 entstanden sind, erzählen von den Träumen, Hoffnungen und dem tristen Alltag der Frauen und begründen, weshalb sie trotz allem Palästina nicht verlassen, sondern standhaft ihren Platz in ihrer Heimat verteidigen. Geschrieben sind sie in einer Sprache, die Respekt, Nähe, Anteilnahme und Sympathie verrät. Für mich ist Sybille Oetlikers Buch eine ausgezeichnete Ergänzung zum Buch «Checkpoint Huwara» (2008) der ehemaligen NZZ-Nahost-Korrespondentin Karin Wenger, das vor allem von den israelischen und palästinensischen Männern handelt. Im neuen Buch stehen die Frauen im Mittelpunkt, nicht unwichtig in einer Kultur, in der das Patriarchat herrscht. Es ist also auch ein Frauenbuch der besonderen Art. Ein Detail sei angemerkt: Der Vater des ermordeten 12-jährigen Ahmad, der im Film  «Das Herz von Jenin» porträtiert wird und mit dem Film auch in der Schweiz und Deutschland aufgetreten ist, wird hier durch die Aussagen seiner Gattin Abla Khatib ergänzt.

Abgerundet wird alles durch den einführenden Beitrag der Autorin «Leben unter Besatzung: ohne Freiheit und Rechte», der sozusagen die Folie aus Fakten, Daten und Zahlen bildet, vor welcher die Lebensgeschichten der Frauen sich abspielen, welche uns nachdenklich und traurig machen, wütend und zornig stimmen – und kaum auf einen baldigen Frieden hoffen lassen. Angefügt sind eine Chronologie der wichtigsten Ereignisse von 1897 bis 2009, Karten über die geografische und demografische Veränderungen und Links zu weiter führenden Websites. Das Buch von Sybille Oetliker ist ein Muss für alle, die wissen und erleben wollen, was heute in Palästina wirklich geschieht.

Sybille Oetliker: Standhaft, rechtlos. Frauen im besetzten Palästina. eFeF-Verlag, Bern/Wettingen 2010. 224 Seiten