Segev, Tom: 1967. Israels zweite Geburt *

 

Am frühen Morgen des 5. Juni 1967 steigen die Flugzeuge der israelischen Luftwaffe in den Himmel und zerstörten innerhalb von wenigen Stunden den ägyptischen Luftwaffenstützpunkt. Bereits einige Tage später hat Israel seine arabischen Kriegsgegner besiegt und kontrolliert nun ein Territorium, das um ein Vielfaches grösser ist als das Staatsgebiet, das ihnen die Uno zum Co-Existieren mit den dort lebenden Palästinensern geboten hat. Die zweite Geburt Israels! Mit dieser spektakulären militärischen Operation begann der dritte militärische Nahostkonflikt, der als «Sechstagekrieg» in die Geschichtsbücher einging und, wie viel sich noch erinnern, damals in der breiten Bevölkerung eine wahre Israel-Begeisterung auslöste. Bis heute sind die Auswirkungen dieses arabisch-israelischen Krieges für Israel und Palästina spürbar, folgenschwer und verantwortlich für die heutige hoffnungslose Situation.

Was Tom Segev, einer der wichtigsten Vertreter der «neuen israelischen Historiker», hier vorlegt, ist schlicht sensationell: ein Meisterwerk der Geschichtsschreibung. Aus Platzgründen ist es unmöglich, auch nur die wichtigsten Ergebnisse dieser «andern Geschichte» hier wieder zu geben. Material aus 25, lange verschlossenen Archiven in Amerika und Israel hat er verarbeitet: akribisch, analytisch und dennoch für jeden interessierten Leser verständlich. Protokolle von Knesset-Sitzungen, Gesprächen mit Staatoberhäuptern, Ministern, Militärs, Diplomaten, Telefon-Niederschriften, vieles davon bisher als «geheim» deklariert, hier zum ersten Mal veröffentlicht, sowie Hunderte von Zeitungsausschnitte. Im Sinne der «Oral History» ergänzt mit Tagebuchnotizen, privaten Briefen und Postkarten von Soldaten und ihren Angehörigen. 80 Seiten Quellen- und 12 Seiten Personenregister runden den Band ab. Höchst spannend und absolut notwenig – auch wenn es psychisch nur schwer verkraftbar ist, da man hinter den Fakten immer menschlichen Schicksale verspürt.

Ohne dieses Werk und dessen Inhalte, die inzwischen auch in die populäre Literatur einfliessen, sind die Geschichte und die Gegenwart von Israel und Palästina nicht verstehbar. Der Israeli Tom Segev räumt hier radikal auf mit den Mythen oder, sagen wir es offen, den Lügen, welche der israelische Staat über den Sechstagekrieg in der ganzen Welt verbreitet hat und weiter verbreitet. Als Fortsetzung der Aufklärung über die wahre Geschichte Israels bilden weitere Bücher dieses Autors und, nahtlos an «1967» anschliessend, das Buch «Die Herren des Landes. Israel und die Siedlerbewegung seit 1967» von Zertal Idith und Eldar Akiva.

Tom Segev: 1967. Israels zweite Geburt. Pantheon, München 2007, 800 Seiten, illustriert