Abulhawa, Susan: Als die Sonne im Meer verschwand
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In Amerika aufgewachsen, kennt die Palästinenserin Nur die malerischen Dörfer ihrer Heimat bloss aus den Erzählungen ihres Grossvaters. Eines Tages trifft sie Jamal, der als Arzt in Gaza arbeitet und sie dorthin einlädt. Zum ersten Mal reist die junge Frau zu ihrer Familie und erlebt, wie eng deren Geschichte mit dem Nahostkonflikt verflochten ist. Sie ist überwältigt von den Eindrücken, erfährt aber auch eine bittere persönliche Enttäuschung. Die Liebesgeschichte dient als eine Art Skelett des Romans, der in 71 Kapiteln kaleidoskopisch erzählt und Privates ausleuchtet, woraus ein vielschichtiges Zeitdokument des Lebens in Palästina von 1947 bis heute entstanden ist. Neben den äusseren Ereignissen schildert er vor allem deren Auswirkungen auf die Gemeinschaft, auf Grossfamilien und Einzelpersonen in der Westbank, vor allem in Gaza und in der Region von Beit Daran. Die Besatzung mit ihren Schikanen und die Kriege mit ihren Toten sind in Nebensätzen, kurzen Einschüben und Exkursen präsent.
Analog dem Buchtitel «Als die Sonne im Meer verschwand» ist der Roman reich an poetischen und symbolischen Anklänge. So heisst es etwa über die Erzählerin: «Ich war dort bei den Frauen in meinem Leben. Ich war in den Farben: in Maulbeere, Magenta und Koralle, den Tönen der erschöpften Sonne. In dem Blau zwischen Himmel und Wasser. Ich war dort und habe alles beobachtet. Ihre Unterhaltungen und ihr Gelächter haben den Boden sicher verankert, das Ufer unter dem Wasser befestigt, den Himmel aufgehängt und ihn mit den Sternen und dem Mond und der Sonne geschmückt. Das alles ist in Gaza passiert. In Palästina. Und ich bin dort geblieben, so lange ich nur konnte.» Abulhawas Roman kann auch gelesen werden als ein Werk des Suchens: «Sie hatte nichts, was sie an einem Ort festhielt, und darum war sie immer unterwegs.
Unterwegs zu sich selbst. Unterwegs zu ihrer Erlösung. Unterwegs zur Sprache. Unterwegs zu etwas, das sie beschwerte und davor bewahrte, vom Wind davongetragen zu werden.»
Berühmt wurde die Autorin 2012 mit ihrem erster Roman «Während die Welt schlief». «Als die Sonne im Meer verschwand» kann als Weiterführung und Ausweitung des ersten verstanden werden, der die verborgenen und geheimen Winkel des Lebens der Palästinenserinnen und Palästinenser auslotet. Dieses Buch ergänzt jenes mit poetischen Obertönen und symbolischen Anklängen zum Leben in Palästina, ist aber auch politisch notwendig neben den bekannten Medienbildern aus dem seit der Nakba besetzten Land.
Abulhawa, Susan: Als die Sonne im Meer verschwand, Roman, Diana Verlag, München 2015, 382 Seiten