Manea, Elham: Der alltägliche Islamismus. Terror beginnt, wo wir ihn zulassen *

Bücher über den IS und Strategien dagegen gibt zuhauf, doch die meisten bleiben an der Oberfläche, gehen nicht auf den Grund. «Was mir Sorge macht, ist nicht die gewalttätige Form des Islamismus, sondern seine gewaltlose», schreibt die Muslima Elham Manea.

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Die 52-jährige Elham Mane, jemenitisch-schweizerische Doppelbürgerin, lebt in Bern, ist Politikwissenschafterin und lehrt an der Universität Zürich. Sie gilt als prominente Expertin zum Thema des islamischen Fundamentalismus und ist Autorin des Buches «Ich will nicht mehr schweigen. Der Islam, der Westen und die Menschenrechte» aus dem Jahre 2009. Mit ihrem neuen, mit Leidenschaft und Professionalität geschriebenen Werk «Der alltägliche Islamismus. Terror beginnt, wo wir ihn zulassen» zielt sie auf den Grund und den Hintergrund der Problematik, auf eine Art, die zum Nachdenken herausfordert. Aus ihrer Analyse erfahren wir die vielfältigen Formen und Gefahren des Islamismus, bleiben persönlich jedoch oft überfordert, bei konkreten Situationen im Alltag die adäquaten Massnahmen zu ergreifen.

«Wenn Sie meinen, der IS sei derzeit weltweit unsere grösste Herausforderung, liegen Sie falsch. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er militärisch besiegt ist. Die Ideologie, die den Weg für die gewaltsame Auslegung des Islam geebnet hat, wird den IS überleben, sie wird sich wie ein Krebsgeschwür leise weiter ausbreiten und verheerende Schäden anrichten», schreibt die Autorin. Unzählige, in den verschiedensten Ländern durchgeführte Recherchen und Analysen, so in Belgien, Schweden, Österreich, Frankreich, Deutschland, im Jemen und auch in der Schweiz, kommen ausführlich zur Sprache, werden verständlich erklärt und sind mit 296 Anmerkungen belegt: anschaulich und spannend geschrieben, nicht wie meine hier versuchte Zusammenfassung. Auch aus ihrem eigenen Leben erzählt sie, so etwa, dass ihr Onkel sie wegen ihren in seinen Augen blasphemischen Schriften zur Tötung ausruft. Umso beeindruckender finde ich den Mut der Humanistin, Araberin, Muslimin und Frau Elham Manea, in der Reihenfolge ihrer Gewichtung, dass sie weiter arbeitet, publiziert und kämpft.

«Der gewaltlose Islamismus», den sie analysiert und kritisiert, propagiert eine Ideologie des politischen Islams und zugleich eine radikale Interpretation des Islams. Er hat zwei Komponenten, eine politische und eine religiöse. Gewaltloser Islamismus ist nicht nur eine totalitäre politische Ideologie mit einem starken Herrschaftsanspruch, sondern auch eine religiöse Interpretation des Islam, welcher die Herrschaft legitimiert und die Ausübung sankioniert, meint die Forscherin. Die Definition, die sie für den Islamismus verwendet, stammt von Mehdi Mozaffari, einem dänischen Professor für Islamwissenachaften mit iranischen Wurzeln: «Islamismus ist eine religiöse Ideologie mit einer ganzheitlichen Interpretation des Islams, dessen letztes Ziel die Eroberung der Welt mit allen Mitteln ist.» Das bedeutet Herrschaft über die Religion, das Leben und die Regierungen. Einmal im Kern der Sache angelangt, nimmt die Autorin uns mit auf eine Reise durch den Islamismus, auf der sie zeigt, wie sehr er heute in unserem Alltag Mainstream ist und was dessen Folgen sind: «Was wir die Moderaten nennen, sind in Wirklichkeit die Extremisten, die eine politische Ideologie propagieren – im Kern eine Ideologie des Hasses.»

Weil Manea es versteht, faktenreich und gleichzeitig anschaulich zu erzählen, ist die Lektüre des Buches nicht nur ein intellektuelles, sondern auch ein emotionales Erlebnis, das herausfordert und weiterwirkt. Wie aber sieht die Autorin die Welt? Die allgemeinen Menschenrechte sollen gelten: Gleichheit für Mann und Frau, die Religions- und Glaubensfreiheit, Meinungsäusserungsfreiheit, die Trennug von Kirche und Staat, Religion als Privatangelegenheit und die Überzeugung, dass die heiligen Schriften von Menschen geschrieben wurden. Anders gesagt, es geht um Gleichheit, Toleranz, Freiheit und religiösen Pluralismus. In unserer Gesellschaft, die sich gegenwärtig in einem epochalen Wandel befindet, sollen ihre hart erkämpften, liberalen, säkularen und universellen Normen und Werte sowie die Würde und Rechte des Einzelnen in der Gesellschaft bewahrt werden.

Das Buch «Der alltägliche Islamismus. Terror beginnt, wo wir ihn zulassen» voll Elham Maneasollte Pflichtlektüre werden für Politiker, Medienschaffende, Meinungsmacher und alle, die unsere Gesellschaft mitgestalten. Es ist von brennender Aktualität.

Manea, Elham: Der alltägliche Islamismus. Terror beginnt, wo wir ihn zulassen, Kösel Verlag, München 2018, 285 Seiten